Die Arbeitsplätze in Berlins Firmen sind so sicher wie lange nicht. Von den 200 größten Unternehmen der Hauptstadt wollen nur drei in diesem Jahr Stellen abbauen. Mehr als jede vierte Firma plant dagegen, die Zahl ihrer Stellen zu erhöhen. Das ergab eine Umfrage unter den 200 größten Arbeitgebern Berlins, die Morgenpost Online zum dritten Mal durchführte.
Die 200 größten Arbeitgeber Berlins haben die Beschäftigung im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent aufgestockt. Das ist der Ergebnis der diesjährigen Umfrage "Top 200 der Berliner Wirtschaft". Im vergangenen Jahr lag das Wachstum noch bei 1,1 Prozent. Das Resultat bestätigt das Stimmungsbild, das sich aus der letztjährigen Umfrage ergeben hatte. Morgenpost Online fragt neben den aktuellen Beschäftigungszahlen auch die Erwartungen für das laufende Jahr ab. 2007 erklärten 55 Unternehmen, dass sie die Beschäftigung aufstocken wollen, nur 17 kündigten einen Stellenabbau an. Unter dem Strich überstieg die Zahl der erwarteten Einstellungen die Personaleinsparungen um 2900.
In der aktuellen Umfrage ist das Stimmungsbild noch positiver. Nur noch drei der Top-200-Unternehmen wollen das Personal abbauen, 58 wollen die Zahl der Mitarbeiter steigern. Der Saldo aus den Auf- und Abbauankündigungen liegt bei rund 4500 Stellen. "Die Stimmung in der Berliner Wirtschaft ist tatsächlich anhaltend gut", sagt Christoph Lang, Sprecher der Wirtschaftsförderung Berlin Partner. "Wir spüren, dass die Unternehmen in Berlin investieren und Arbeitsplätze schaffen wollen." Auch Hartmut Mertens, Chef-Volkswirt der Investitionsbank Berlin sieht erfreuliche Tendenzen in der Stadt. "Das Klima ist sehr positiv. Berlin baut beim Wachstum den Rückstand zum Bundesdurchschnitt immer weiter ab", so Mertens. Und das zeige sich gegenwärtig auch beim Abbau der Arbeitslosigkeit.
Die Dynamik der Berliner Wirtschaft ist allerdings nicht auf die größten Arbeitgeber zurückzuführen. Bei einer Betrachtung der Top 10 und Top 20 fällt sogar ein beschleunigter Abbau der Beschäftigtenzahlen auf. Die Top 10 verloren im vergangenen Jahr 3,1 Prozent (2006: minus 1,2) und die Top 20 2,5 Prozent (minus 1,1 Prozent). Auffallend ist: Die vier größten Arbeitgeber Berlins haben allesamt im vergangenen Jahr die Belegschaft reduziert. An der Spitze steht nach wie vor die Deutsche Bahn, die 18.200 Mitarbeiter in Berlin beschäftigt – ein Minus von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es folgen Vivantes mit 13.100 Mitarbeitern (minus 3,0 Prozent) und Siemens als größter industrieller Arbeitgeber mit 12.730 Mitarbeitern (minus 8,3 Prozent). Auf Platz vier rangiert die BVG mit 10.638 Mitarbeitern (minus 2,7 Prozent).
Mit deutlichem Wachstum und positiven Prognosen fielen hingegen auch in diesem Jahr die Gebäudedienstleister wie Dussmann oder Piepenbrock auf. Der Sicherheitsdienstleister Securitas steigerte die Beschäftigung im vergangenen Jahr um 11,5 Prozent auf 2900 und hat auch für dieses Jahr einen Anstieg der Beschäftigung um 450 Mitarbeiter angekündigt. Dem Dienstleistungssektor sind auch die Arbeitsplätze zuzurechnen, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie KPMG, Price Waterhouse Coopers, Ernst & Young in Berlin aufbauen. KPMG beispielsweise steigerte die Mitarbeiterzahl um acht Prozent auf 1040 und will auch in diesem Jahr um 70 bis 80 Mitarbeiter wachsen.
Getragen wird der Beschäftigungsaufbau aber nicht nur vom Dienstleistungssektor. Auch die Industrie hat sich erholt, zeigt die Top-200-Umfrage. Auch IBB-Chefvolkswirt Mertens beobachtet diesen Trend: Im sechsten Monat in Folge sei die Berliner Industrie wieder auf Wachstumskurs. "Und es sind nicht nur die Zukunftstechnologie-Cluster, auch die klassischen Industrien wie Elektrontechnik, Maschinenbau und Chemie wachsen wieder", sagt Mertens. Im Top-200-Ranking zeigt sich die Entwicklung anhand der Automobilzulieferer wie IAV, ZF Friedrichshafen, Knorr-Bremse, Willy Vogel und Continental, die im vergangenen Jahr bei der Beschäftigung allesamt zulegten.
Anke Hoffmann, Geschäftsführerin des Personalberaters Kienbaum Berlin GmbH, glaubt innerhalb Berlins zwar nicht an den Aufbau größerer Produktionskapazitäten. "Als Standort für Forschung und Entwicklung ist Berlin für die Industrie aber hochinteressant." Dazu trägt die Vielzahl an Hochschulen bei. Die großen Konzerne suchen die Nähe zur Technologie in der Stadt, meint Hoffmann. Aber auch der Mangel an Ingenieuren und Facharbeitern entwickelt sich zum Plus für die Hauptstadt: Wenn ohnehin nicht genügend Ingenieure zu finden sind, bietet sich Berlin als Standort an. Denn an die Spree lassen sich qualifizierte Kräfte leichter locken als in die Provinz.
So wird Berlin zunehmend als Technologiestandort wahrgenommen. Dazu trägt auch der Betreiber des elektronischen Mautsystems Toll Collect bei, der künftig in Berlin auf 550 Mitarbeiter kommen will. Rund 500 Beschäftigte sind mittlerweile auch für SAP in Berlin tätig. Auch Jamba gedeiht in Berlin prächtig und peilt in diesem Jahr den Belegschaftsaufbau bis auf 740 Stellen an. Hinzu kommt die Solarbranche. Solon legte um 18,3 Prozent auf 297 Mitarbeiter zu und will in diesem Jahr weitere 100 Stellen aufbauen.
Für Kienbaum-Personalberaterin Anke Hoffmann bleibt aber auch der gesamte Medienbereich ein Wachstumsfeld für Berlin. In diesem Jahr wächst Axel Springer am Standort Berlin um 400 Mitarbeiter, im wesentlichen durch den Herzug der Bild-Gruppe. Hoffman glaubt, dass angesichts der Hauptstadt-Funktion auch Agenturen ihre Präsenz in Berlin immer stärker ausbauen werden.
Schließlich ist auch der Gesundheitssektor ein Arbeitgeber von großer Bedeutung. Neben den Krankenhäusern wächst auch die Medizintechnik in der Stadt – allen voran Biotronik. Nachdem schon in diesem Jahr ein Zuwachs der Mitarbeiter um 34,1 Prozent auf 1555 verzeichnet wurde, plant das Unternehmen weitere 370 neue Jobs.
Dennoch: IBB-Chefvolkswirt erinnert daran, dass die Arbeitslosigkeit immer noch viel zu hoch ist. Die aktuell positive Beschäftigungsentwicklung sei darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen in den vergangenen Jahren stark abgebaut haben und angesichts der guten Auftragslage dringend wieder Kapazitäten aufbauen müssten.