Neue Technik

Fernsehen empfangen während der Autofahrt

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Mark Lederer

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Eine neue Chance für Mobil-TV: Die Technik DVB-SH soll Fernsehbilder und digitale Daten per Satellit auf Handys und Tablet-Computer übertragen. Die Technik verspricht einen Empfang ohne Aussetzer oder einfrierende Bilder. Erste Tests zeigen vielversprechende Ergebnisse.

Ob der Fahrer seinen Wagen durch die Region Burgund lenkt, sich langsam Paris nähert oder durch die Häuserschluchten des Büroviertels La Défense steuert: Der Fernsehempfang im Fond des Autos ist gleichbleibend gut. Dass überhaupt TV-Bilder während der Fahrt zu empfangen sind, ist schon erstaunlich. Die noch kaum erprobte und wenig bekannte Technik DVB-SH macht dies möglich, vorerst nur in wenigen Tests wie dem von Alcatel-Lucent in Frankreich.

DVB-SH überträgt auf digitalem Weg Videos (DVB) über Satelliten auf Handhelds (SH). Bei Fahrten über Land kommen die Fernsehbilder per Satellit zu den Empfangsgeräten im Auto. Das Neue und Besondere an der Technik ist aber seine Flexibilität. Da abgeschattete Gebiete in Ballungszentren wegen ihrer Hochhäuser nicht lückenlos mit Satellitensignalen ausgeleuchtet werden können, ist eine reine Übertragung aus dem All in der Praxis unmöglich. Daher wechselt das System bei Fahrten durch Städte zu anderen Übertragungstechniken, wie dem digitalen Antennenfernsehen DVB-T oder DVB-H.

Die Technik stimmt beide Signalarten aufeinander ab, dadurch bleibt der Empfang stabil, die Bilder ruckeln nicht und frieren nicht ein. Auf dem Autodach ist eine kleine Satellitenschüssel angebracht, die nicht viel größer ist als eine Untertasse. Zusätzlich gibt es eine Antenne für DVB-T-Fernsehen in der Scheibe. Eine Set-Top-Box im Kofferraum verarbeitet die Signale von beiden Empfängern und leitet sie kabellos an die Endgeräte, zum Beispiel ein WLAN-fähiges Handy. Das Endgerät wählt immer das stärkste Signal aus.

Mit diesem technischen Trick lässt sich Fernsehen in hoher Qualität übertragen, wie die Tests in Frankreich zeigen. Der Empfang ist sowohl an Bushaltestellen und auf dem Campingplatz als auch in fahrenden Bahnen und Autos möglich. Sobald die ersten Mobil-TV-Inhalte der Rundfunk- und Fernsehanstalten gesendet werden, soll die Qualität von Liveübertragungen beim Übergang von offenen Autobahnstrecken zu Großstadtstraßen in München, Köln oder Hamburg gleich bleiben. So stellen es sich die Techniker zumindest vor.

Bei dem Mobilfunkstandard UMTS wählen einzelne Empfänger gezielt Daten an. Sind viele Nutzer in einer Mobilfunkzelle zeitgleich aktiv, sinkt die Übertragungsgeschwindigkeit merklich. DVB-SH dagegen sendet das Programm an unbegrenzt viele Empfänger in gleichbleibender Qualität.

Nicht nur Fernsehen, auch Radio lässt sich über eine Schüssel im Auto empfangen. In den USA kommt das Satellitenradio Sirius XM mit seinem Pay-Angebot auf immerhin 19 Millionen Kunden. Der Dienst bietet mehr als 130 Kanäle mit Sportübertragungen, durchgehenden Verkehrsmeldungen sowie werbefreien Musiksendern. Dafür zahlen Kunden etwa 17 Dollar pro Monat. Wie teuer DVB-SH-Dienste in Deutschland werden könnten, steht noch nicht fest. Technisch ist es außerdem möglich, Daten über Satellit und DVB-T zu senden. Damit ließen sich während der Autofahrt zum Beispiel Wettervorhersagen und Verkehrsmeldungen in Wort und Bild auf dem Display des Navigationssystems darstellen.

Bislang hat sich in Europa mobiles Fernsehen kaum durchsetzen können. DVB-H und DMB kommen in Deutschland über die Testphase nicht hinaus. Die SH-Variante will aber unter anderem Solaris Mobile fördern. Das Joint Venture von Eutelsat und Astra testet derzeit ein Pay-Radio-Angebot in einigen europäischen Städten, zum Beispiel in Berlin und Barcelona. Die zuverlässige Qualität von DVB-SH hat auch Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts in Erlangen überzeugt. Dort wird der Übertragungsstandard seit Ende letzten Jahres getestet.

"Wir entwickeln derzeit einen Empfänger-Chip für DVB-SH und sind an der Erprobung des Empfangs in Feldtests beteiligt", sagt Fraunhofer-Manager Bernhard Niemann. "Außerdem gibt es in Erlangen ein Testnetzwerk, in dem die Technologie in einem praktischen Umfeld untersucht werden kann." Dort stellt ein Satellitenbetreiber Testsignale bereit. Zusätzlich dient ein großer Schornstein als Antennenturm für terrestrische Signale. Im nächsten Jahr könnte DVB-SH einsatzbereit sein.

Noch aber fehlen die dafür notwendigen Empfänger in den Endgeräten. Interessant dürfte es sein, nicht nur Smartphones, Handhelds und Notebooks damit auszurüsten, sondern auch Apples iPad, um zum Beispiel seine elektronische Zeitung unterwegs aktualisieren zu können. Auch an mitfahrende Kinder haben die Betreiber gedacht: Über DVB-SH ließen sich Videospiele auf tragbare Spielekonsolen übertragen. Autorennen zum Beispiel, um dem Fahrer wertvolle Tipps für den geplanten Überholvorgang zu geben.