Späte Aufholjagd: Knapp vier Jahre nach Nintendo bringen nun auch Microsoft und Sony eine sogenannte Bewegungssteuerung für ihre Spielkonsolen auf den Markt. Einen Tag vor dem Start der Gamescom-Messe in Köln haben beide Konzerne ihre Pläne konkretisiert. So verkauft Microsoft sein „Kinect“-System ab dem 10. November für 149 Euro.
Kinect ist eine schwarze Box, die am Fernsehgerät angebracht wird. Mithilfe von Kameras und Infrarotsensoren erfasst sie die Bewegungen von ein oder zwei Spielern, überträgt diese an die Xbox-360-Konsole. Bis Ende des Jahres soll es knapp 15 Spiele für Kinect geben, darunter etwa „Michael Jackson – The Experience“, bei dem der Spieler den Moonwalk des Popstars nachtanzt.. „Damit wollen wir neue Spielgruppen erschließen“, sagte Xbox-Europachef Chris Lewis.
Vor allem Gelegenheitsspieler wie Frauen und Senioren sollen Kinect nutzen. Zu den erhofften Umsatzerwartungen machte Lewis keine Angabe. „Aber es wird uns einen kräftigen Schub geben.“
Sony nennt sein neues System „Move“, verkauft es ab dem 21. September für die Playstation 3. Im Unterschied zu Kinect muss der Spieler dort zwei Eingabegeräte in der Hand halten. Das Move-Basismodell kostet 60 Euro, das Komplettpaket für zwei Spieler schlägt voraussichtlich mit 250 Euro zu Buche.
Fachmagazine bescheinigen Sony und Microsoft, dass die Bewegungssteuerung deutlich präziser funktioniert als bei Nintendo und dessen Wii. Trotzdem sind Beobachter skeptisch, ob sich die neuen Geräte durchsetzen. Move und Kinect sind vergleichsweise teures Zubehör, bei Nintendo hingegen ist die Bewegungssteuerung bereits in die Wii-Konsole integriert.
Spielehersteller werden wohl erst dann für Sony und Microsoft entwickeln, wenn sich die neuen Geräte gut verkaufen. Bislang stammen fast alle angekündigten Titel von Sony und Microsoft selbst. Nintendo hatte Ende 2006 als erster Hersteller eine Konsole mit Bewegungssteuerung auf den Markt gebracht – und davon stark profitiert. Das japanische Unternehmen dominiert den Konsolenmarkt, vor allem Gelegenheitsspieler kaufen die Wii.
Letzte Chance für Microsoft und Sony
Für Microsoft und Sony bietet sich nun wohl die letzte Chance, dem Branchenprimus Marktanteile abzunehmen – bevor eine neue Generation von Konsolen an den Start geht. Immerhin schreiben die Spielesparten keine Verluste mehr. Sony hat die Produktionskosten für die Playstation 3 soweit gesenkt, dass es nun nicht mehr für jede verkaufte Konsole draufzahlt. Microsoft erzielte mit Xbox 360 und Videospielen in den vergangenen drei Quartalen sogar einen beachtlichen Gewinn von 851 Millionen Dollar.
Neben die klassischen Hersteller drängt sich zunehmend auch Apple. Viele Firmen zeigen auf der Messe erste Spiele für iPad und iPhone. Das renommierte Entwicklungsstudio id Software („Doom“, „Castle Wolfenstein“) will beispielsweise sein Ballerspiel „Rage“ zuerst auf dem iPhone veröffentlichen. Die Konkurrenten sind hier die mobilen Konsolen, also Nintendo DSi und Playstation Portable.
Auch von ihnen wird es neue Versionen geben. Nintendo hat für 2011 eine portable Konsole mit 3-D-Bildschirm angekündigt, zeigt das „3DS“ genannte Gerät allerdings nicht auf der Gamescom. Sony arbeitet Branchengerüchten zufolge ebenfalls an einer neuen mobilen Konsole.
Zu sehen gibt es hingegen erste Fernsehgeräte mit 3-D-Ausgabe sowie die dazu passenden Videospiele. Vor allem Sony prescht hier vor: Für die Playstation 3 erscheinen das Rennspiel „Motorstorm 3“ und das Ballerspiel „Killzone 3“, die beide die neue Technik ausreizen sollen. Allerdings kosten 3-D-fähige TV-Geräte noch mindestens 1500 Euro. „3D wird wohl erst im Weihnachtsgeschäft 2011 eine größere Rolle spielen“, glaubt deswegen Microsoft-Manager Lewis.
Wenn man dem Spielehersteller Electronics Arts glaubt, werden die klassischen Konsolen allerdings unwichtiger: Der geht davon aus, dass Online-Games immer mehr an Marktanteilen gewinnen. „Deswegen gehen wir weg vom Verkauf physischer Datenträger“, also CDs oder DVDs, sagte Firmenchef John Riccitiello „Capital“. Einnahmen aus Abo-Spielen für den Browser, aus Online-Werbung oder aus Internet-Downloads machen nach Angaben des Managers bereits 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus – verglichen mit drei oder vier Prozent vor fünf Jahren. Bis 2015 könnte es schon die Hälfte sein.