Messerundgang

Diese Cebit-Highlights verändern unser Leben

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Jürgen Stüber

Nichts los in Hannover? Von wegen. Auf der Cebit warten Neuheiten, die unser Leben schon bald verändern können. So werden Handygespräche abhörsicher, Web 2.0 erreicht den Arbeitsplatz, das Turbo-Internet kommt mit einem Trick in die Provinz – und ein PC-Programm hilft beim Stromsparen.

Erster Tag der Computermesse Cebit in Hannover: Morgenpost Online war in den Hallen unterwegs und stellt ausgewählte Unternehmen, Lösungen und Produkte vor.

Verschlüsselte Handys: Ein winziger Chip, so groß wie eine MicroSD-Speicherkarte sorgt dafür, dass niemand lauscht, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere hohe Politiker am Handy telefonieren, SMS oder E-Mails schreiben. Das Düsseldorfer Start-up Secusmart hat diese Karte in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entwickelt. Sie garantiert abhörsicheren Mobilfunk. "Kein Geheimnis verlässt die Karte", sagt Swenja Kremer, die Sprecherin des Unternehmens. Zentrale Software ist ein Krypocontroller. Er nutzt den gleichen Schlüssel wie die neuen digitalen Funkgeräte von Polizei und anderen Sicherheitsbehörden. Informatiker und Ingenieure des BSI haben diesen Standard entwickelt.

Ganz billig ist die Sicherheit nicht. Und vom Massenmarkt ist die neue Technologie noch weit entfernt. "Jede Karte kostet 2200 Euro", sagt Swenja Kremer. Sie berichtet stolz von einem Millionen-Deal. Im Oktober vergangenen Jahres hat das erst 2007 gegründete Unternehmen von der Bundesregierung den Zuschlag für die Lieferung von mehreren Tausend dieser Karten erhalten. Auslöser für die Entwicklung dieser Software waren Sicherheitswarnungen über die Anfälligkeit des GSM-Mobilfunknetzes durch Hacker. Bei einer Tagung des Chaos Computer Clubs in Berlin wurde erst kürzlich darüber diskutiert, wie einfach solche "Man-in-the-Middle"-Attacken sind. Dazu genüge eine Empfangsstation, ein Handy, ein Laptop und eine verfügbare Software. Mittlerweile interessieren sich nicht nur Politiker für diese Technologie. Auch Führungskräfte von DAX-Konzernen interessieren sich dafür, hieß es am Messestand von Secusmart.

Schneller surfen in der Provinz: Wer in einem kleinen Dorf weit weg von Metropolen lebt, muss mitunter ohne schnelles Internet leben: kein Breitband-Kabel und schlechter Handyempfang. Downloads im EDGE-Netz sind Geduldsproben. Dass es auch anders geht, zeigt der Elektronikkonzern Motorola an seinem Messestand. Ein Sender mit sogenannter Wimax-Technologie strahlt mit Übertragungsraten von bis zu 40 MBit/Sekunde in den hintersten Winkel des entlegensten Ortes. Der Nutzer benötigt einzig eine Empfangsgerät, das auf dem Dach montiert wird.

Die Technologie setzt Eigeninitiative voraus: Lokale Internet-Serviceprovider (wie Kommunen, Stadtwerke oder Geschäftsleute) betreiben diese Anlagen, die ab einer Größe von 40-60 Kunden rentabel sind, wie ein Unternehmenssprecher sagte. Ein Antrag bei der Bundesnetzagentur genüge. Das Funknetz ist übrigens genauso sicher wie ein im Standard WPA 2 verschlüsseltes WLAN mit 128- beziehungsweise 256-Bit-Kodierung.

Attraktive legale Online-Musik: Die Gewinne der Musikindustrie brechen ein, Piraterie floriert. Mit der Forderung, neue Vermarktungswege für Musik zu finden, eröffnete Dieter Gorny das Music Business Festival Cebit Sounds. Der Chef-Lobbyist der Musikindustrie räumte ein, es könnte florierende Alternativen für die Musikindustrie geben, wenn die Labels rechtzeitig den "Ikea"-Effekt genutzt und Online-Musik günstiger verkauft hätte.

Harald Eisenächer, von der Telekom appelliert an die Musikindustrie, mit attraktiven Angeboten den Weg zu dafür zu bereiten, dass das Internet Hauptvertriebskanal für den legalen Download wird. Der Umsatz seines Portals Musicload mit 6,5 Millionen Titeln und vier Millionen Nutzern stieg um 30 Prozent.

Alexander Wolf, der Vertreter des Rechtetreuhänders Gema, der 60.000 Künstler mit fünf Millionen Werken vertritt, sah sich ob des Festhaltens an traditionellen Vergütungemodellen damit konfrontiert, "Bremser des Fortschritts" zu sein.

Vernetzte Haushalte: Professor Frank Bomarius vom Fraunhofer Institut für experimentelles Software-Engineering will dem Verbraucher zu seinem Recht auf sinkende Energiekosten verhelfen. Sein Pilotprojekt "Internet der Energie" entwickelt ein intelligentes Energiemanagement für Privatwohnungen. Denn ab Dezember 2010 sind Energieversorger gesetzlich verpflichtet, zeit- und lastabhängige Strompreise anzubieten.

Über einen vernetzten elektronischen Zähler werden dem Kunden Stromtarife zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Ein intelligentes Computerprogramm startet Geräte wie Waschmaschinen automatisch zum Zeitpunkt des niedrigsten Strompreises.

Eine Vielzahl in der Wohnung installierte Sensoren beliefern das Programm mit Daten über die Gewohnheiten des Verbrauchers, was Steuerung der Geräte vereinfacht. Nach drei bis vier Jahren, schätzt Professor Bomarius, hätten sich die Investitionskosten von 3000 bis 4000 Euro amortisiert. Bleibt nur die Frage, ob die Energieversorger ein Interesse an solchen Sparkonzepten (und sinkenden Umsätzen) haben und die Verbraucher mit den modernen Zählern ausstatten.

Web 2.0 am Arbeitsplatz: Wenn Harald Kiehle, Chef der Abteilung "Smarter Work" des Elektronikkonzerns IBM, Unternehmer zum Thema Kommunikation im Social-Media-Zeitalter berät, blickt er oft in angstvolle Augen. Viele Manager fürchten sich vor Netzwerken ohne Hierarchie, in denen der Azubi sieht, ob der CEO gerade ansprechbar ist. Die Zusammenarbeit über Ressortgrenzen hinweg macht sie misstrauisch. "Wir domestizieren das Web 2.0 für Unternehmensbelange", beschreibt Kiehle den Arbeitsplatz der Zukunft. "Unternehmen haben erkannt, dass sie Web-Communities nicht mehr ignorieren können und fragen sich, wie sie als Arbeitgeber attraktiv bleiben können". Doch das löse oftmals Unbehagen aus. IBM zeigt im eigenen Haus, wie es geht: Jeder Mitarbeiter hat ein Blog, in dem er sein Wissen mit Kollegen teilt. Auf interaktiven Plattformen wird kollaborativ an Problemlösungen gearbeitet. Und das Messagingsystem funktioniert quer durch alle Hierarchien.

"Der Mensch rückt in den Mittelpunkt", sagt Kiehle. Aber das erfordere eine neue Denke im Unternehmen. Zum Beispiel auch in der Frage, ob der vernetzte Mitarbeiter auch zu Hause arbeiten darf. Damit übrigens hat Kiehle in seinem Team gute Erfahrungen gemacht. "So lässt dich das Wissenspotenzial des Standorts Deutschland besser nutzen", sagt der Smarter-Work-Experte.