Kleine Teams, Eigenständigkeit der Pflegekräfte und dazu immer die Frage: Was kann der Patient noch selbst? So geht Pflege auch.
Der 50. Geburtstag ist für viele ein Wendepunkt, auch für Uta Kirchner. „Zum 50. Geburtstag habe ich mir geschenkt, nur noch das zu machen, was mir gefällt.“ Also hat sie sich aus dem IT-Geschäft verabschiedet, ihre Personalvermittlung abgewickelt und einen Pflegedienst aufgebaut. „Er sollte so sein, dass ich ihn als Kunde gern beauftragen würde und in dem ich gern Mitarbeiter wäre.“
Klingt einfach, die Umsetzung aber war komplizierter als gedacht. „Ich hatte keine Ahnung, wie schwierig es ist, einen Pflegedienst zu haben.“ Besonders, wenn man es anders machen will. Aber Uta Kirchner hatte eine Vision und ein Vorbild: den holländischen Pflegedienst Buurtzorg, übersetzt: Nachbarschaftshilfe.
Vor zwölf Jahren von dem Krankenpfleger Jos de Blok gegründet, hat sich der alternative Pflegedienst inzwischen zu einem Unternehmen mit fast 14.000 Mitarbeitern entwickelt. In aller Welt wird Buurtzorg als Pflegerevolution gefeiert. Bei Buurtzorg arbeiten die Pflegekräfte in kleinen Teams, die sich selbst organisieren. Alle können alles und sind für alles verantwortlich: von der Patientenbetreuung und die Erstellung von Pflegeplänen bis zur Organisation der Einsätze und der Budgetverwaltung.
Angehörige, Freunde und Nachbarn werden in Betreuung miteinbezogen
Was ein Pflegebedürftiger braucht, entscheiden die Pflegenden, nicht eine Leitungsebene darüber. Abgerechnet wird nach Zeit, nicht nach Leistungskomplexen. Soweit möglich, werden Angehörige, Freunde und Nachbarn in die Betreuung miteinbezogen. Und noch etwas: Buurtzorg hat das Papier abgeschafft, alle Eintragungen und Abrechnungen finden übers Tablet statt.
An all dem orientiert sich nun auch Uta Kirchners Pflegedienst Care4Me. Sie ist sogar in die Niederlande gefahren, um selbst zu sehen, wie Buurtzorg funktioniert. Auch bei Care4Me wird nach Zeit abgerechnet. Zu den einzelnen Aufgaben gibt es zwar Richtwerte, aber die Pflegekraft kann die Zeiten auch anders verteilen, wenn es ihr sinnvoll erscheint. Ziel ist dabei immer, die Selbstständigkeit der Kunden zu fördern. Sie führt auch gleich ein Beispiel an: „Beim Kochen sollte der Kunde eingebunden werden, vielleicht die Möhren schälen. So bewegt er seine Finger und freut sich, etwas zu schaffen.“ Natürlich koste das mehr Zeit.
Klingt nach einem unbezahlbaren Modell. Uta Kirchner widerspricht, es komme vielmehr darauf an, das Zeitbudget an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Klar sei allerdings schon: „Reich kann man damit nicht werden“, auch wenn Care4Me immerhin eine schwarze Null schreibt. Im Februar 2017 eröffnete Kirchner ihr Ladenlokal in Moabit. Da gab es nur sie, eine Pflegedienstleitung, eine Stellvertreterin und einen ersten Kunden. Zwei Stunden in der Woche hatte er Vorlesen gebucht, die Gründerin hat das anfangs selbst gemacht.
20 Mitarbeiter arbeiten jeweils zu viert in einem Team
Der Kunde der ersten Stunde ist noch immer da, dazu sind inzwischen etwa 120 weitere gekommen, die Hälfte nutzt den Pflegedienst aktiv, die andere die Beratungsangebote. Für sie sind heute 20 Mitarbeiter zuständig, die in vierköpfigen Teams arbeiten. Es gibt schon Teams in Moabit, Wedding, Kreuzberg und Friedrichshain, in Schöneberg ist eines im Aufbau. Von seiner Größe fällt Care4Me in der riesigen Berliner Pflegelandschaft nicht auf. „Wir fliegen noch unter dem Radar“, sagt Uta Kirchner selbst. Aber die Aufmerksamkeit wächst. Oft wird die Gründerin eingeladen, um ihren Pflegedienst vorzustellen.