Pro & Contra: Was ist dran an der Homöopathie? Wenn Menschen das Gefühl bekommen, Homöopathie habe ihnen geholfen, beruht das oft auf Fehlinterpretationen, meint Wolfgang W. Merkel.

Homöopathisch arbeitende Ärzte und Heilpraktiker erfreuen sich eines regen Zulaufs, und die Mehrzahl der Krankenkassen übernimmt die Kosten – einige von ihnen verlangen allerdings eine Therapie durch einen Arzt. Neben der Linderung von akuten Beschwerden verspricht diese Therapieform auch Hilfe bei chronischen („konstitutionellen“) Leiden.

Doch die Homöopathie ist seit langem heftig umstritten. Von Freitag bis Sonntag findet in Berlin ein Symposium der „Homöopathen ohne Grenzen“ statt. Diese Organisation plädiert dafür, die Homöopathie auch im Rahmen humanitärer Hilfe im Ausland einzusetzen. Diese Tagung soll Anlass sein, die Heilmethode in einem Pro & Contra zu hinterfragen.

Unser „Contra“ stammt von Wolfgang W. Merkel. Er ist Medizin- und Wissenschaftsredakteur der Berliner Morgenpost. Und hier geht es zum Pro.

Die heutigen Umstände sind ganz anders als zu Hahnemanns Zeit

Samuel Hahnemann (1755-1843), der Begründer der Homöopathie, erkannte, dass die „Heilkunst“ seiner Zeit die Kranken mit Aderlass und ähnlich abenteuerlichen Methoden noch kränker machte. Auf der Suche nach einer Alternative entwickelte er die Homöopathie. Heute ist die Situation anders. Die Schulmedizin hat Riesenfortschritte gemacht. Unter anderem dank ihr leben die Menschen Jahrzehnte länger als zu Hahnemanns Zeiten und sie leben – selbst chronisch krank – vergleichsweise gut.

Die Homöopathie dagegen hat ihr Versprechen nicht eingelöst. Sie erfreut sich zwar großer Beliebtheit, doch dass sie wirkt, hat sie nicht bewiesen. Ungeachtet vieler Behauptungen gibt es so gut wie keine Studien, die belegen, dass Homöopathie wirksam ist.

Übergreifende Analysen haben zwar gezeigt, dass es Studien gibt, die Hahnemanns Lehre bestätigen, doch sie genügten meist nicht hohen Qualitätsstandards. Je stärker die Ergebnisse zugunsten der Homöopathie ausfielen, desto schlechter waren tendenziell die Rahmenbedingungen der Studie. Dem gegenüber stehen Hunderte Studien, die zeigen: Homöopathie hilft nicht.

Die Heilmethode wirkt ausschließlich über den Placeboeffekt

Sicherlich muss man dieses „nicht“ ein wenig relativieren – in „nicht besser als Scheinmedikamente (Placebos)“. Dieser Placeboeffekt ist tatsächlich heilsam, praktisch alle schulmedizinischen Therapien basieren ebenfalls teilweise auf ihm. Seine die Selbstheilung aktivierende Wirkung stellt sich ein, wenn der Patient das Gefühl bekommt, es wird etwas für ihn getan und ein kompetenter Behandler bemüht sich ehrlich um ihn – ganz gleich, ob Homöopath, Schulmediziner oder Psychotherapeut.

Entscheidend ist, dass der Behandler mit Empathie und persönlicher Zuwendung auf den Patienten eingeht. Doch Homöopathen behaupten ja gerade, ihre Therapie wirke darüber hinaus ursächlich gegen genau die speziellen Beschwerden ihrer Patienten. Mit Verlaub: Das ist nur eine unbewiesene Behauptung.

Homöopathen weigern sich offenbar, ihre Therapieform so testen zu lassen, wie das der wissenschaftliche Anspruch – und der gesunde Menschenverstand – erfordern. Dazu gehört Objektivität und Unvoreingenommenheit. Weder der Patient noch sein Therapeut dürfen wissen, ob sie im Versuch ein Homöopathikum bekommen (bzw. verabreichen) oder eine Pille ganz ohne Homöopathie. Nur so ließe sich ausschließen, dass der Versuch verfälscht wird – nur so ließe sich zeigen, ob das Mittel besser ist als ein Placebo.

Die Behandelten lassen sich allzu leicht von der Homöopathie täuschen

Wenn Menschen das Gefühl bekommen, Homöopathie habe ihnen geholfen, beruht das oft auf Fehlinterpretationen und einem Mangel an kritischer Beobachtung. Denn viele Beschwerden wären auch ohne die Globuli oder Tropfen weggegangen – einfach durch die Selbstheilungskräfte des Körpers.

Dasselbe Prinzip gibt ein Bonmot über den Schnupfen wieder: Ohne Arzt dauert er sieben Tage – mit Arzt eine Woche. Außerdem gehen viele Patienten ihre Krankheiten doppelt an: Sie greifen zur schulmedizinischen Arznei oder lassen sich anderweitig, etwa physiotherapeutisch, behandeln und bedienen sich zugleich der Homöopathie. Wer will da entscheiden, was wirklich geholfen hat?

Als Krankenversicherter ärgere ich mich darüber, dass meine Versicherungsbeiträge eine unwirksame Therapieform mitfinanzieren. Dass die Kassen die Kosten übernehmen, hat ja keine rationalen Gründe („das hilft“), sondern liegt am unkritischen Glauben ihrer Kunden („das verkauft sich gut“). Folglich ist die Kostenübernahme eine reine Marketingmaßnahme der Kassen.

Last not least: Diese Kritik trifft in Teilen auch die Schulmedizin. Auch hier kommen allzu oft neue teure Präparate auf den Markt, deren Nutzen unbewiesen ist und deren Nebenwirkungen in fragwürdigen Studien heruntergespielt wurden.

Hier geht es zum „Pro“.

Weitere Informationen der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften gibt es hier.