Chemie lässt Franzosen länger leben. Damit auch der Rest der Menschheit die Möglichkeit hat, extrahierten Forscher nun komplexe Substanzen aus Rotwein auf neue Weise.
Analysen natürlicher Wirkstoffe scheitern oft daran, dass keine ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. US-amerikanischen Wissenschaftlern ist es jetzt erstmals gelungen, einige komplexe Substanzen aus Rotwein im Labor zu synthetisieren, um sie in der medizinischen Forschung einzusetzen.
Bisher konnten diese Stoffe nur sehr aufwendig aus Weintrauben isoliert werden, wie die Fachzeitschrift „Nature“ berichtet. Der Durchbruch in der Organischen Chemie macht es unter anderem möglich, das Geheimnis des sogenannten Französischen Paradoxons zu untersuchen: Woran liegt es, dass die Franzosen relativ wenig Herzkrankheiten haben, obwohl sie viel Rotwein trinken und häufig fett essen?
Traditionell wird in einer chemischen Synthese ein einzelnes Molekül schrittweise verändert. Bis zum gewünschten Endprodukt sind dabei häufig viele Zwischenstationen notwendig. Dies wiederum macht die Synthese - zumindest im großen industriellen Maßstab - zu teuer. Chemiker suchen deshalb nach neuen kürzeren Wegen, die noch dazu umweltschonender sind.
Ein Weg dorthin ist, die natürliche Reaktivität der Ausgangsstoffe oder Zwischensubstanzen besser zu nutzen. Genau diesen Weg sind Scott A. Snyder von der New Yorker Columbia University und seine Kollegen gegangen, obwohl Resveratrol als sehr kompliziertes Molekül gilt.
Snyder beschäftigte sich schon länger mit Pflanzeninhaltsstoffen, denen ein natürlicher Schutz des menschlichen Organismus zugesprochen wird. Eine ganz entscheidende Schlüsselposition nimmt dabei Resveratrol ein.
Verbindungen dieser Substanz werden in vielen Nutzpflanzen gefunden: Himbeeren, Maulbeeren, Pflaumen und Erdnüssen. Besonders hoch ist die Konzentration in der Haut roter Weintrauben. Die biologische Wirkung macht Resveratrol-Verbindungen auch zu Kandidaten für Medikamente gegen Arteriosklerose, Herzkrankheiten, Alzheimer, Arthritis, Autoimmunkrankheiten und Krebs.
Da schon ein Molekül des Resveratrols sehr kompliziert aufgebaut ist, war die chemische Synthese von Komplexen aus mehreren dieser Moleküle im Labor bisher eine große Herausforderung. Aber genau diese werden benötigt, weil - wie in der Natur - nur Komplexe tatsächlich wirken.
Snyder hat nun eine relativ einfache Synthesestrategie entwickelt, durch die drei bis vier Resveratrol-Einheiten zusammengesetzt werden können. Er baute zunächst einen Komplex zweier Resveratrol-Moleküle aus einem Grundgerüst, das chemisch wesentlich besser zu bearbeiten ist.
Daraus entwickelte er die nächste Komplexitäts-Stufe und konnte schließlich natürlicherweise vorkommende Moleküle aus drei oder vier Resveratrol-Untereinheiten gewinnen. Die künstliche Synthese erleichtert es in Zukunft, die potenziell therapeutischen Eigenschaften des biologisch aktiven Resveratrols genauer zu untersuchen.
Dabei könnte auch analysiert werden, ob und wie Rotwein wirkt. Denn ob das Trinken von Rotwein für den menschlichen Organismus tatsächlich gesund ist, wird in anderen Studien stark bezweifelt. Grundsätzlich ist Alkohol für den Organismus schädlich - nach vielen aktuellen Studien sogar in relativ geringen Mengen.
dapd/cl