Ausverkaufte Geigerzähler und starke Nachfrage nach Jodtabletten – Psychologen erklären, warum Deutsche sich sorgen, obwohl die Gefahr fern ist.

In Deutschland steigt die Angst vor den Auswirkungen des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima. Geigerzähler sind stark gefragt, Behörden schalten Hotlines für besorgte Bürger. Für den Würzburger Psychologieprofessor Paul Pauli ist das Verhalten der Bevölkerung nachvollziehbar.

„Es ist einfach in uns Menschen als biologischen Organismen drin, bei bestimmten Signalen, die Angst in uns auslösen, besonders vorsichtig zu werden“, sagt Pauli, der schwerpunktmäßig Angst- und Schmerzforschung betreibt.

In der Psychologie werde zwischen Angst und Furcht unterschieden: Furcht sei das Gefühl bei einer tatsächlichen Bedrohung, Angst das Gefühl in Erwartung einer Bedrohung.

Bei Angst werde der Mensch in einen Zustand besonderer Vorsicht versetzt. „Und das ist auch biologisch sinnvoll“, erklärt der Psychologe, da dadurch Leben gerettet werden könne. Wichtig sei allerdings, dass diese Vorsicht vom Verstand kontrolliert werde - insbesondere, wenn eigentlich gar keine Bedrohung vorliege. Und dies falle manchen Menschen schwer.

Die Bilder aus Japan in Fernsehen und Zeitungen erweckten den Eindruck, dass auch Deutschland bedroht sein könnte. In einer solchen Situation suchten ängstliche Menschen nach Informationen, die ihnen Sicherheit vermittele.

Das könne auch ein Geigerzähler sein, der - wenngleich wohl nur kurzzeitig - Entwarnung geben könne, wenn eine hohe Strahlenbelastung befürchtet werde. Gleichzeitig suchten ängstliche Menschen aber auch nach Hinweisen für eine Bedrohung, die dann ihre Angst weiter verstärkten.

Entscheidend sei, die sachlichen Informationen mit der Angst abzugleichen und das eigene Verhalten nicht allein von der Angst dominieren zu lassen. „Wir sind ja eigentlich keine Sklaven unserer Angst“, betont er .

Gelinge das nicht, könne Angst so übermächtig werden, dass sie das ganze Leben beeinflusse. „Das geht dann bis zur krankhaften Angst“. Pauli schätzt, dass in Deutschland etwa zwölf Prozent der Menschen an Angststörungen litten oder leiden.

Dass die Japaner angesichts ihrer schlimmen Lage noch überwiegend besonnen reagieren, führt Pauli auf kulturelle Einflüsse zurück. Er geht nicht davon aus, dass sie weniger Angst empfinden als etwa Deutsche. Sie hätten - auch aufgrund ihrer Vorerfahrungen mit Erdbeben und anderen Naturkatastrophen - aber gelernt, anders damit umzugehen und sie nicht so offen zu zeigen.

Hotlines und andere Informationsangebote sind nach Einschätzung des Angstexperten gut geeignet, den Menschen in Deutschland zu helfen, ihre Sorgen unter Kontrolle zu bekommen. „Dabei ist es aber sehr wichtig, dass die Quelle der Informationen glaubwürdig ist“, betont Pauli und fügt hinzu, es sei fatal, wenn Politiker ihre Glaubwürdigkeit verspielten.

„Und am schlimmsten ist es, wenn ich die Bedrohung zwar benenne, jedoch keine Handlungsempfehlungen ausspreche. Das ist ganz fatal, denn das löst Panik und Hilflosigkeit aus“.