Eine Verödung der Nerven kann zu hohen Blutdruck um 33 Punkte senken – eine neue OP-Methode macht es möglich.
Bluthochdruck kann ein äußerst hartnäckiges Problem sein. Viele Patienten nehmen dagegen täglich eine Hand voll Medikamente – ohne dass ihre Werte in den angestrebten Normbereich sinken. Nun berichten Mediziner von einer neuen Therapie: Der knapp einstündige Eingriff, der schon in manchen deutschen Kliniken vorgenommen wird, kann eine ausgeprägte Hypertonie anscheinend dauerhaft bessern.
Weltweit leiden rund eine Milliarde Menschen an Bluthochdruck. In Deutschland liegen die Werte bei 16 Millionen Bundesbürgern in der Problemzone oberhalb von 140 zu 90. Die meisten Patienten nehmen dagegen ihr Leben lang täglich drei bis vier Medikamente. Aber selbst diese Cocktails senken nur bei jedem Dritten den Druck in den Normbereich. Jeder zehnte Patient reagiert kaum auf die vorhandenen Arzneien.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte eine sogenannte Ablation bieten. Dabei veröden Ärzte in der Gefäßwand der Nierenarterien jene Nerven, die maßgeblich an Bluthochruck beteiligt sind. Der einmalige Eingriff dauert 30 bis 60 Minuten und erfolgt unter lokaler Betäubung. Von der Leiste aus schieben Ärzte einen Katheter durch ein Blutgefäß – ähnlich wie bei der Angioplastie zur Gefäßweitung. Am Ziel verödet dann Hitze jene Nervenbahnen, die den Blutdruck in die Höhe treiben. Einen Tag später kann der Patient wieder nach Hause zurückkehren.
Die Wirkung des Verfahrens testete eine internationale Studie unter Leitung von Murray Esler aus Melbourne an 106 Therapie-resistenten Patienten, von denen manche in deutschen Kliniken behandelt wurden. Die Teilnehmer hatten – trotz Einnahme von im Mittel fünf Medikamenten – einen oberen, systolischen Durchschnittswert von 178. Knapp 50 Patienten unterzogen sich der Ablation, die übrigen dienten als Kontrollgruppe.
Das neue Verfahren senkte den oberen Blutdruckwert um durchschnittlich 33 Punkte, wie die Mediziner in der renommierten Zeitschrift "The Lancet“ schreiben. Zum Vergleich: Viele Medikamente drücken den Wert nicht einmal um zehn Punkte. Und bei 39 Prozent der Ablationspatienten lag der Blutdruck auch ein halbes Jahr nach dem Eingriff noch im Normbereich. Schwere Komplikationen gab es nicht.
„Das macht mich äußerst neugierig“, sagt der Kardiologe Elliott Antman von der Universität Harvard, Vizepräsident der Amerikanischen Herzgesellschaft (AHA), auf deren Kongress in Chicago die Studie vorgestellt wurde. Selbst wenn die Behandlung den Blutdruck nicht ganz in den Normbereich senkt, dürfte sie die Sterblichkeit der Patienten weit verringern. Denn eine ausgeprägte Hypertonie steigert das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich.
Zu allem Überfluss besserte das Verfahren auch noch die Blutzuckerwerte. Das macht es besonders interessant für Menschen mit Diabetes 2 – eine Erkrankung die oft mit Bluthochdruck einhergeht. „Das Verfahren eröffnet diesen Patienten dramatische neue Optionen“, betont Antman.
Mariell Jessup von der Universität von Pennsylvania ist einstweilen noch vorsichtig. „Das klingt zu schön um wahr zu sein“, sagt die Ärztin. Bevor man von einem Durchbruch spreche, auf den Mediziner seit Jahren hoffen, müsse man zunächst abwarten, wie lange der Blutdruck-senkende Effekt anhalte.
Dorian Blair ist einstweilen zufrieden. Der 37 Jahre alte US-Bürger aus Cleveland ist genetisch vorbelastet. Früher lagen seine oberen Blutdruckwerte zwischen 180 und 190, oft stiegen sie sogar über 200. Innerhalb von fünf Jahren erlitt der Familienvater fünf Herzinfarkte und leichte Schlaganfälle. Schließlich unterzog er sich Ende 2009 der Ablation. Jetzt verharrt sein oberer Wert um 140. „Für mich ist das ziemlich gut“, sagt Blair. „Und es war ein einfacher Eingriff. Einen Tag später konnte ich wieder umhergehen.“
dapd