25 zusätzliche Lebensjahre für jeden – das versprechen sich die amerikanischen Forscher der Harvard Medical School von dem neuen Medikament, das sie jetzt im Auftrag des Arzneimittelkonzerns GlaxoSmithKline am Menschen testen wollen. Bei Würmern, Mäusen und Hefen hat das Mittel gut funktioniert.
An Würmern, Hefen, Fliegen und Mäusen hat das Mittel hervorragende Dienste geleistet. Die Versuche am Menschen standen noch aus, „die Ergebnisse werden in den kommenden Monaten veröffentlicht“, sagt Studienleiter David Sinclair.
Eine Arznei, die das Leben um ein Drittel verlängert? Was zu schön klingt um wahr zu sein, ist bei näherem Betrachten eigentlich nichts Neues. Seit mehr als 100 Jahren ist die Medizin damit beschäftigt, unser Leben zu verlängern – mit beachtlichen Erfolgen. Während das durchschnittliche Höchstalter einer Frau im 19. Jahrhundert noch etwa 45 Jahre betrug, liegt dieses heute bei ungefähr 85 Jahren und hat sich damit fast verdoppelt. Warum? Vor allem wegen der medizinischen Fortschritte in der Infektionsmedizin – die allerdings inzwischen weitgehend ausgeschöpft sind. In den Industrienationen gehören Infektionskrankheiten schon länger nicht mehr zu den häufigsten Todesursachen, sondern wurden von chronischen Erkrankungen und Krebs im Ranking abgelöst. Obgleich das durchschnittliche Lebensalter immer noch steigt, lässt sich mittels der Entwicklung neuer Antibiotika und Verbesserung des medizinischen Standards nur noch wenig an der Schraube des langen Lebens drehen.
Umso erstaunlicher klingt daher die Verheißung dieser völlig neuen Medikamentengruppe, die nicht nur das Auftreten von chronischen Erkrankungen minimieren, sondern dem menschlichen Leben noch ein paar zusätzliche Jahre geben soll. Schon seit 1934 ist bekannt, dass eine verminderte Kalorienzufuhr das durchschnittliche Lebensalter von Labormäusen deutlich verlängern kann. 30 Prozent weniger Kalorien als eigentlich notwendig verheißen demnach womöglich ein bis zu 40 Prozent längeres Leben. Für den Menschen ist eine solch rigorose Diät problematisch, sie beinhaltet nicht nur eine verringerten Lebensqualität, sondern auch eine reduzierte Fruchtbarkeit.
Deshalb suchten Wissenschaftler auf der ganzen Welt nach Alternativen, die denselben Effekt auf den Altersprozess haben könnten. Sie fanden dabei unter anderem eine Substanz, nämlich das Immunsuppressivum Rapamycin, das auf Mäuse eine ähnliche Wirkung wie eine Diät zeigte. Dieses Medikament konnte das Lebensalter von Labormäusen signifikant steigern, sogar wenn es erst im höheren Alter gegeben worden ist. Wegen seiner hohen Nebenwirkungsrate eignet sich Rapamycin allerdings nur bedingt als Anti-Aging-Wundermittel.
Als vielversprechender Kandidat für den Jungbrunnen gilt statt dessen der Wirkstoff, den die Harvard-Mediziner jetzt ins Rennen schicken: Das sogenannte Resveratrol, ein Pflanzenstoff, der hauptsächlich in roten Trauben vorhanden ist und dem bisher bereits viele positive Eigenschaften nachgewiesen worden sind: Das starke Antioxidans zeigt eine Schutzwirkung gegenüber Herz-Kreislauf-Erkrankungen, soll vorbeugend gegen Krebs wirken und entzündungsmodulierend bei chronisch-entzündlichen Verschleißerkrankungen sein.
Es soll unter anderem für das „Französische Paradox“ verantwortlich sein: Trotz eines erhöhten Alkoholkonsums bei ähnlichen Cholesterinwerten scheinen Franzosen länger zu leben als andere Nationen. Seine lebensverlängernde Wirkung soll das Reveratrol als „Sirtuinaktivator“ entfalten.
Aktiviert werden soll bei diesem Prozedere das SIRT-Gen, das die Information für die Produktion einer Substanz beherbergt, die auch bei rigorosen Diäten freigesetzt wird und verschiedene Effekte auf den Stoffwechsel bewirkt, auf die Zellabwehr und auf den Zelltod. Die Biologen um Sinclair von der Harvard Medical School in Boston fanden heraus, dass die Aktivierung der Gene durch Stress das Leben von Hefen und Fliegen drastisch verlängert. Beim Menschen suchten sie daraufhin nach einem alternativen Genaktivator, der ihm die quälenden Diäten ersparen sollte.
Eine viel versprechende Substanz war rasch gefunden: Das Resveratrol. Fliegen, die diesen Wirkstoff erhielten, lebten unabhängig von der zugeführten Futtermenge länger und zeigten darüber hinaus keinerlei Einschränkungen in der Fruchtbarkeit.
Beim Menschen entpuppte sich die Sache allerdings als vergleichsweise schwierig: Um einen ähnlichen Effekt zu erzielen, müssten sie große Mengen Resveratrol zu sich nehmen – oder flaschenweise Rotwein trinken. Einen Ausweg fanden die Forscher in hochkonzentrierten Resveratrol-ähnlichen Substanzen, die das Team inzwischen in dem Unternehmen Sirtris Pharmaceuticals testet und vertreibt. Inzwischen werden die Mittel auch zur Behandlung von Diabetes getestet.
Sirtris Pharmaceuticals wurde 2004 von Christoph Westphal und David Sinclair gegründet und erforscht derzeit in klinischen Studien die Wirkung von Sirtuinaktivatoren. Hierbei wird sich zeigen, ob der Mensch durch die Einnahme von einer Tablette möglicherweise 25 Jahre länger leben könnte.