Erlanger Ärzte haben bei zwei Patienten mit einem Augentumor einen Versuch gewagt. Zusätzlich zur Chemotherapie erhielten die Betroffenen eine Substanz aus einer Beifußart – mit Erfolg: Ein Patient lebte noch zwei Jahre, der andere gilt als geheilt. Normalerweise überleben Patienten mit einem Melanom der Aderhaut höchstens fünf Monate.
Heilkräuter gegen Krebs? Danach suchen Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Sie konzentrieren sich auf die Heilkräuter der traditionellen chinesischen Medizin. Kein Wunder, denn Anwendung und Wirkung der Pflanzen sind gut dokumentiert, viele werden schon seit mehr als 2000 Jahren verwendet. Dazu gehört auch der Einjährige Beifuß (Artemisia annua). Das Kraut wird in China traditionell gegen Fieber und Wucherungen eingesetzt.
Seit einigen Jahren liefert die mit dem Wermut verwandte Heilpflanze auch den Ausgangsstoff für ein nebenwirkungsarmes Mittel gegen die Malaria. Nun steht ihr möglicherweise noch eine Karriere als Anti-Tumor-Wirkstoff bevor.
Artesiminin heißt die aus dem Beifuß gewonnene Substanz, die zwei Patienten mit einem Melanom der Aderhaut des Auges half. Normalerweise überleben die Patienten nach der Diagnose im Mittel nur zwei bis fünf Monate.
Ein Forscherteam der Hautklinik der Universität Erlangen, das die beiden Patienten behandelte, entschied sich mit dem Heidelberger Molekularbiologen Thomas Efferth zu einem Versuch: Die Patienten erhielten Artemisinin zusätzlich zur Standardchemotherapie, die bis dahin erfolglos geblieben war. Mit Erfolg: Während der eine Patient danach noch zwei Jahre lebte, gilt der andere gilt sogar als geheilt. Darüber berichteten die Forscher bereits im Dezember 2005 im Journal „Oncology Reports“.
In Tests mit Krebszellenlinien hat das Team um Efferth aufgeklärt, wie Artemisinin wirkt: Der pflanzliche Wirkstoff greift in das Erbgut und die Zellmembran von Tumorzellen ein und treibt diese in den programmierten Zelltod. „Artemisinin wirkt wie Sprengstoff für den Tumor“, sagt er.
Artemisinin ist nur ein Beispiel für ein potenzielles Arzneimittel. Von insgesamt 76 Pflanzen aus der chinesischen Kräuterheilkunde, die traditionell gegen Tumoren eingesetzt werden, isolierten die DKFZ-Forscher bei 18 Pflanzen Extrakte, die das Wachstum von Krebszellen in der Kulturschale hemmen. „Mit dieser Erfolgsrate liegen wir weit über den Ergebnissen, die bei der Suche in großen chemischen Substanzbibliotheken zu erwarten wäre“, sagt Efferth.
Auch gegen die Tuberkulose könnte in China ein Kraut gewachsen sein. Verbindungen aus dem Chinesischen Tragant, einem Schmetterlingsblüter, zeigten in Tierversuchen eine stärkende Wirkung auf die Abwehrkräfte, ein Effekt, von dem auch krebskranke Mäuse profitierten. Forscher der Universität Graz isolierten aus Speichelkraut, einer chinesischen Heilpflanze , die zu den Korbblütlern gehört, entzündungsstillende Verbindungen, bei denen eine Weiterentwicklung zu einem Medikament gegen Asthma denkbar ist.
Um Chinas grüne Schätze rankt sich ein ganzer Industriezweig. Das Land ist mit einer Liefermenge von 400000 Tonnen pro Jahr zum weltgrößten Exporteur von Heilpflanzen geworden. Um den Erhalt ihrer Vielfalt sorgt sich nun der World Wide Fund for Nature. Durch exzessive Abholzung leiden die Bestände der Chinesischen Eibe im Südwesten des Landes. Sie sind in zehn Jahren um 90 Prozent zurückgegangen. Wie ihre Verwandte, die Pazifische Eibe, liefert der Baum das Paclitaxel, eine tumorhemmende Substanz, auf die Medikamente gegen Brustkrebs aufbauen.
Auch um die Qualität des ausgeführten Pflanzenmaterials steht es nicht immer zum Besten. Agrarwissenschaftler der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Mittelfranken erproben nun, wie sich durch kontrollierten Anbau hierzulande die Qualität der pharmazeutischen Inhaltsstoffe bei 19 verschiedenen chinesischen Heilpflanzenarten verbessern lässt.