Nachdem das Roboter-Fahrzeug „Curiosity“ erfolgreich auf dem Mars gelandet ist, grübelt die Nasa über die zukünftigen Schritte bei der Erforschung unseres Nachbarplaneten. Astronauten werden darin zunächst keine Rolle spielen. Diesen Traum will aber der holländische Unternehmer Bas Lansdorp in Erfüllung gehen lassen. Schon im Jahr 2023 sollen vier Menschen auf dem Mars landen und dort eine Kolonie gründen. Nach Lansdorps Meinung ist die hierfür notwendige Technik bereits vorhanden. Das sieht nicht jeder so.
„Der Rückflug ist hierbei das teuerste“, sagt der ehemalige Shuttle-Astronaut Ulrich Walter, der heute an der TU München Raumfahrttechnik lehrt. Deshalb schlug 1990 der amerikanische Raumfahrtunternehmer George Herbert vor, Astronauten ohne Rückfahrkarte zum Mars zu bringen. Begeistern konnte er mit dieser Idee kaum jemanden, bis der umtriebige Apollo-11-Astronaut Buzz Aldrin vor zwei Jahren die Idee des „Mars to stay“ wieder publik machte und einige namhafte Mitstreiter gewinnen konnte.
Finanzierung durch Reality-Show
Bei der Nasa stieß er damit auf taube Ohren. Vollkommen begeistert von diesem Vorhaben ist indes Bas Lansdorp. Bis 2008 arbeitete er an der TU Delft an der Entwicklung von Drachen mit, die aus Wind elektrischen Strom gewinnen. Dann gründete er die Firma Ampyx Power, die fliegende Windkraftwerke in Form von Flugzeugen baut. Einen weit höher fliegenden Traum will er mit der Kolonisierung des Mars verwirklichen. Auf dem Papier steht der Ablauf seines Projekts „Mars One“ schon fest.
Januar 2016: Ein unbemanntes Versorgungsschiff fliegt zum Mars, setzt Lebensmittel und andere lebensnotwendige Dinge auf der Oberfläche ab und dient später als Unterkunft. 2018: Ein Roboter-Fahrzeug landet an derselben Stelle. Es unterstützt die Astronauten später bei vielen Arbeiten. 2021: Zwei weitere Wohneinheiten mit Lebenserhaltungssystemen und ein Rover kommen hinzu. Außerdem müssen zwei Satelliten den Mars umkreisen, über die die Astronauten Kontakt mit der Erde halten können. Erst wenn in der Station alle Lebenserhaltungssysteme fehlerfrei laufen, machen sich am 14. September 2022 vier Mars-Siedler auf den Weg und werden knapp ein Jahr später als erste Menschen den Boden des Roten Planeten betreten. Von da an wird alle zwei Jahre eine weitere vierköpfige Crew folgen.
Die Kosten schätzt Lansdorp auf lediglich sechs Milliarden Dollar. Zum Vergleich: „Curiosity“ allein hat schon 2,5 Milliarden gekostet. „Ich halte sowohl den Kostenrahmen als auch den Zeitplan für völlig unrealistisch“, sagt Ulrich Walter.
Im Moment ist Lansdorp auf der Suche nach Investoren für die Anschubfinanzierung. Sollte der Marsflug tatsächlich zustande kommen, will er ihn über eine im Raumfahrtbereich ganz neue Schiene finanzieren: Fernsehrechte. Die diesjährigen Olympischen Spiele haben mehr als fünf Milliarden Dollar an TV-Rechten eingespielt. Es sollte also ein Leichtes sein, so Lansdorp, mit Liveübertragungen vom Marsflug und dem Alltagsleben der Siedler mindestens ebenso viel Geld einsammeln zu können.
Es bleiben aber sehr viele andere Fragen offen: Wie schützen sich die Astronauten beispielsweise vor der kosmischen Strahlung, die bei Sonnenausbrüchen besonders intensiv wird und Krebs verursachen kann? Lansdorp sagt, russische Kosmonauten hätten in der Raumstation „Mir“ mehr als ein Jahr verbracht, ohne Folgeschäden davonzutragen. Hierbei vergisst er allerdings, dass die „Mir“ innerhalb des schützenden Erdmagnetfeldes unseren Planeten umkreist hat, während der Flug zum Mars durch den freien interplanetaren Raum führt.
Der kritischste Part des gesamten Unternehmens ist aber vielleicht das Leben auf dem Mars. In den kleinen Raumschiffen werden die Mars-Pioniere nicht dahinvegetieren wollen. Deswegen schickt Lansdorp aufblasbare Wohneinheiten voraus, sodass jeder Astronaut nach der Landung ein 50 Quadratmeter großes Eigenheim beziehen kann.
Und dann die Verpflegung: Während des Fluges müssen sich die Reisenden von Astronautennahrung in Tuben und Dosen ernähren. Auf dem Mars sollen sie Gemüse anbauen. Da man nicht weiß, ob Salat auf Marsboden gedeiht, setzt Lansdorp auf ein neues Verfahren eines Unternehmens namens PlantLab, wo man sich besonders gut auf den Gemüseanbau versteht. Das zieht Pflanzen auf einem Substrat und beleuchtet sie mit LEDs, womit man beim nächsten heiklen Punkt wäre: der Energieversorgung.
Eine autarke Raumstation benötigt erhebliche Mengen an Energie. Den gesamten Strom will Lansdorp vollständig mit Solarzellen generieren. Selbst wenn das tagsüber möglich sein sollte, wären zusätzliche starke Batterien oder thermonukleare Stromerzeuger nötig, um die Dunkelphasen des 48-stündigen Tag-Nacht-Rhythmus zu überstehen.
Keine Kinder auf dem Mars
In Anbetracht des hohen Risikos einer solchen Mission wurde Lansdorp einmal gefragt, ob die Astronauten eine Selbstmordpille mitnehmen würden. Doch das schloss er aus, weil er der festen Überzeugung ist, die Siedler seien so gut vorbereitet, dass sie jede technische Störung beheben können. Lansdorp rechnet nach der offiziellen Ausschreibung der Mission mit einer Flut von Bewerbern. Ob zu den Auserwählten Männer und Frauen gehören werden, lässt er offen. Den ersten Generationen empfiehlt er jedoch, keine Kinder zu zeugen, weil man keine Erfahrung mit der Entwicklung von Föten unter reduzierter Schwerkraft hat und die medizinische Versorgung eingeschränkt ist.