Die Charité wird am Freitag 20 namibische Schädel an die Regierung des afrikanischen Staates zurückgeben. Die sterblichen Überreste gehörten nach Angaben der Klinik Mitgliedern der Stämme Herero und Nama, die zwischen 1904 und 1908 bei Aufständen gegen die Kolonialherrschaft der Deutschen ihr Leben ließen.
Deutsche Wissenschaftler hatten die Köpfe vor über 100 Jahren nach Berlin gebracht und sie für ihre Rassenforschung benutzt. „Wir bekennen, dass die deutsche Wissenschaft damals Schuld auf sich geladen hat. Wir möchten um Entschuldigung bitten“, sagte der Leiter des Medizinhistorischen Museums der Charité, Thomas Schnalke.
Die Regierung von Namibia forderte bereits 2008 die Rückgabe der sterblichen Überreste. „Bevor wir Gebeine herausgeben konnten, mussten wir sicher sein, dass diese tatsächlich aus dieser Region stammen und in die Zeit passen“, begründet Schnalke die lange Dauer des Verfahrens.
Grausame Geschichten ranken sich um die Beschaffung jener 20 Schädel, die in dieser Woche in der Universitätsklinik aufgebahrt liegen. 18 der 20 Opfer sollen auf der sogenannten Haifischinsel vor der Küste Namibia gestorben sein. Dort hatten die Deutschen während des Kolonialkrieges (1904–1908) ein Konzentrationslager betrieben, in dem Hereros und Namas eingesperrt wurden und zahlreich umkamen.
Auf den vorliegenden Schädelknochen konnten die Berliner Wissenschaftler keine Gewalteinwirkungen nachweisen, wohl aber in einigen Fällen Spuren der Krankheit Skorbut.
Die Menschen, denen die Köpfe gehörten, waren nach Angaben der Forscher zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 20 und 40 Jahre alt, vier davon waren weiblich, 16 männlich. Der Kopf eines kleinen Jungen im Alter zwischen drei und vier Jahren soll auch in einem der Kartons liegen, die am Freitag übergeben werden.
Es bleiben auch Fragen offen. So konnten die Wissenschaftler nicht klären, zu welchen Personen genau die Gebeine gehören. Das liege mitunter daran, dass die Namen der Opfer für die Wissenschaftler damals nicht von Bedeutung waren. „Also wurden sie nirgendwo vermerkt. Das macht es für uns heute nahezu unmöglich, die genaue Identität herauszufinden“, sagt der Sammlungsverantwortliche am Centrum für Anatomie der Charité, Andreas Winkelmann.
Seit Oktober arbeitet das Team der Charité an der Zuordnung der Schädel. „Charité Human Remains Project“ heißt das Vorhaben, das mit über 300000 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Bis September 2012 sollen weitere von 7000 Schädeln aus den Sammlungen der Institute auf eine mögliche Herkunft aus Namibia untersucht werden. „Sollte sich das beweisen, werden wir diese selbstverständlich auch an Namibia übergeben“, sagt Schnalke.