Die Zahlen für HIV-Infektionen steigen kontinuierlich. Seit 2001 hat sich die Ansteckungsrate in Deutschland von 1500 auf 3000 Betroffene jährlich verdoppelt. In Hamburg nahm die Zahl der Neuinfektionen von etwa 75 auf 215 zu. Das sagte im Vorfeld des 20. Welt-Aids-Tags am 1. Dezember Professor Andreas Plettenberg vom Institut für Interdisziplinäre Medizin (Ifi) am Asklepios Klinikum St. Georg.
Seit Beginn der Epidemie haben sich in Deutschland 83.000 Menschen mit dem HI-Virus infiziert, 63.000 leben damit. In Hamburg sind es seit Anfang der 80-er Jahre insgesamt 7700 Infizierte, 6000 Menschen leben mit dem Virus. Weltweit sind laut WHO 33 Millionen Menschen mit HIV infiziert, davon zwei Drittel in Afrika südlich der Sahara, etwa fünf Millionen in Asien.
Von den Infizierten in Deutschland sind 83 Prozent Männer, die häufigste Übertragung geschieht über homosexuelle Kontakte unter Männern (72 Prozent).
Als Ursachen der zunehmenden Infektionsrate sieht Plettenberg die besseren Therapiemöglichkeiten gegen das Virus, die den Betroffenen unterdessen eine normale Lebensdauer ermöglichen. Daraus wiederum resultiere ein verändertes Sexualverhalten mit weniger sicherem Sex.
Syphilis-Infektionsrate um elf Prozent gestiegen
Ablesbar sei das an steigenden Erkrankungszahlen auch für andere sexuell übertragbare Krankheiten wie die Syphilis. In Hamburg wuchs die Syphilis-Infektionsrate im vergangenen Jahr um elf Prozent. Nach Erkenntnis der Ärzte erhöhen diese Erkrankungen das Risiko einer HIV-Infektion um den Faktor fünf bis zehn.
Nach Statistiken aus den Vereinigten Staaten erfolgt jede zweite neue Ansteckung durch Partner, die von ihrer eigenen HIV-Infektion gar nichts wissen. Auch in Deutschland gehen die Experten davon aus, dass 25 Prozent der HIV-Infizierten nicht über ihre Krankheit informiert sind. Deshalb würden in den USA im Rahmen der Prävention weit reichende Tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten empfohlen. In Deutschland raten Ärzte ihren homosexuellen Patienten diese Tests bislang nur in höchstens 20 Prozent der Fälle an. Plettenberg plädiert derweil dafür, die HIV-Tests auf eine breitere Ebene zu stellen.
Im Jahr 1981 gab es erste Berichte über eine spezielle Lungenentzündung bei Männern, 1982 wurde der Begriff Aids eingeführt, 1983 das Virus entdeckt. 1988 eröffnete in St. Georg die HIV Ambulanz, heute als „Zentrum für Infektiologie“ akkreditiert.
Die Hoffnung auf einen Impfstoff hat sich nicht erfüllt
Mit immer neuen Medikamenten können die Ärzte seit gut zehn Jahren die Ausbreitung des Virus im Körper der Patienten hemmen. Die Therapie ist darüber hinaus besser verträglich geworden. Heilbar ist das Leiden nicht, denn die Medikamente erreichen lediglich die aktivierten Zellen, nicht die ruhenden. Die Hoffnung auf einen Impfstoff hat sich bislang nicht erfüllt. Das Therapieziel der Zukunft sind therapeutische Impfstoffe, die das Immunsystem der Infizierten so aufrüsten, dass es den Erreger unter Kontrolle bekommt, sagte Ifi-Experte Dr. Albrecht Stoehr.
Dennoch: Trotz besserer Therapien bleibe HIV/Aids eine Krankheit, die das Leben der Betroffenen beeinträchtigt. Die Heilungschance stehe in den Sternen.
Derweil ist die Versorgung der Kassen-Patienten mit HIV in Hamburg laut Erklärung der „Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter“ nicht mehr gesichert. Die gesetzlichen Krankenkassen hätten die Verträge für den besonderen Versorgungsaufwand bei der Betreuung dieser Patienten zum Jahresende gekündigt. Eine Folgeregelung sei nicht getroffen. Lediglich die AOK Rheinland/Hamburg führe die Vereinbarung fort. Das bedeute für die Schwerpunkteinrichtungen einen Wegfall von 40 Prozent der Einnahmen aus der Behandlung dieser Kassenpatienten. Damit sei die Existenz der Praxen und damit die Versorgung der HIV-Infizierten akut gefährdet. Konsequenz einer geringeren Behandlungsqualität seien massive Folgekosten.