Facebook-Nutzer können seit heute ihren Freunden nicht nur mitteilen, was sie gerade machen oder was ihnen im Augenblick gefällt. Sie haben jetzt auch die Gelegenheit, ihre Community mit einem Klick darüber zu informieren, wo sie sich gerade aufhalten, was sie dort machen und was ihnen dort gefällt. Heute hat das mit mehr als 500 Millionen Nutzern weltgrößte soziale Netzwerk den Dienst „Places“ oder „Orte“ auch in Deutschland freigeschaltet. Bislang war „Places" nur in den USA und Großbritannien verfügbar.
Um auf „Facebook Places“ zugreifen zu können, genügt ein internetfähiges Mobiltelefon, das die Website touch.facebook.com abbilden kann. Wer ein iPhone verwendet, benötigt die aktuellste Version der Facebook-Applikation. Mit ihr können Anwender an Orten „einchecken“ und damit Freunden in Echtzeit mitteilen, wo sie sind. Nutzer haben auch die Möglichkeit zu erfahren, welche ihrer Freunde gerade in der Nähe sind. Zudem besteht die Möglichkeit, auch neue Orte kennenzulernen, die Freunde entdeckt haben.
Die Möglichkeit, Freunden, Bekannten und Kollegen mitzuteilen, wo man sich gerade aufhält, hat dem Mobiltelefon schon vor Jahrzehnten mit zum Durchbruch verholfen. Doch bislang war das entweder teuer oder umständlich. Denn es bedurfte eines Anrufs, einer fingerakrobatischen SMS-Kurznachricht oder einer Mail, die mühsam in das Gerät getippt werden musste.
Ortsbasierte Internetdienste haben das vereinfacht. Sie verwenden Informationen aus drei Quellen. Zum Ersten erkennen sie über Satelliten-Daten (GPS-Dienste), WLAN-Netze oder Koordinaten von Mobilfunkstationen den exakten Standort des Nutzers. Aus einer Datenbank beziehen sie dann Informationen über Lokalitäten in der Nähe, die einfach angeklickt werden können. Zum Dritten erfahren sie aus dem eigenen Netzwerk, welche anderen Nutzer sich ebenfalls dort aufhalten. Diese drei Quellen werden miteinander verknüpft, und fertig ist der Geolocation-Dienst.
Am erfolgreichsten ist mit einem solchen ortsbasierten Dienst bislang die Plattform Foursquare , auf der nach eigenen Angaben etwas mehr als drei Millionen Internetnutzer regelmäßig einchecken, wie die Mitteilung des eigenen Standortes im Jargon der Plattform genannt wird. Foursquare nutzt einen spielerischen Ansatz: Nutzer erwerben Orden („Badges“) für ihre Aktivitäten. Und wer innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums am häufigsten an einem Ort eingecheckt hat, erhält den Titel des „Mayor“ (Bürgermeister).
Ähnlich, aber weniger spielerisch funktioniert der Dienst „Latitude“ des Internetkonzerns Google. Dort erfährt der Nutzer nicht nur, welche seiner Freunde sich gerade in der Nähe aufhalten und was sie dazu mitteilen. Er kann auch sein eigenes Bewegungsprofil freigeben und für die eigene Community sichtbar ins Netz stellen.
Die Geolocation-Plattform „Gowalla“ hat einen anderen Ansatz gewählt und bedient die Leidenschaft Reisender, Stempel fremder Grenzbehörden in ihrem Reisepass zu sammeln. Nutzer dieses Dienstes können durch Check-ins solche Stempel erwerben und dadurch Ansehen in der Community gewinnen. Sie erhalten aber auch den Anreiz, Entdeckungen ihrer Freunde selbst zu erkunden.
Gowalla bietet zusätzlich Exkursionen zu besonderen Zielen an, die beispielsweise von Organisationen wie National Geographic, dem Nachrichtensender CNN oder der Zeitung USA Today angeboten werden. Wie bei Foursquare werden auch bei Gowalla soziale Netzwerke wie Facebook oder Nachrichtendienste wie Twitter zum Verbreiten der eigenen Status-Updates genutzt.
Warum machen Internetnutzer das? Neben der Freude am Social Networking und dem Drang, beiläufig die eigene Weltläufigkeit zu unterstreichen, dürfte es wohl vor allem die Lust am Spiel sein, die Internetnutzer dazu bringt, immerzu mitzuteilen, wo sie gerade sind. Geolocationdienste sind aber auch Plattformen für Schnäppchenjäger, die Vergünstigungen ergattern wollen: Freigetränke oder Gratistickets in Locations, in denen sie Mayor-Titel erworben haben. Vor allem in den USA ist das inzwischen ein verbreitetes Geschäftsmodell.
Dieses Konzept hat sich der deutsche Foursquare-Klon „Friendticker“ zu eigen gemacht. Diese Plattform setzt gezielt auf materielle Güter als Belohnung für häufige Check-ins. Nutzer können dort beispielsweise Gratis-Übernachtungen in Hotels, kostenfreie Cocktails, Wellness-Behandlungen oder Gutscheine erwerben.
Für die Anbieter der Plattformen ist die Spielleidenschaft ihrer Kunden ein lukratives Geschäft. Die Nutzer liefern mit ihren Empfehlungen, Tipps und Entdeckungen den Geolocationdiensten in Eigenleistung kostenfrei gigantische und veritable Datenbanken mit Lokalitäten, die anders nie hätten recherchiert werden können. Das ist Crowdsourcing in Reinkultur: andere die Arbeit machen lassen, die man eigentlich selbst erledigen müsste.
Die Nutzer bieten mit ihren Check-ins der Werbewirtschaft aber auch eine Breitseite, um sie künftig nicht nur mit personalisierter, sondern auch mit ortsbasierter Werbung anzusprechen. Was dem Nutzer „gefällt“, wissen Facebook und Google schon lange. Neu ist der geradezu unbezahlbare Gute-Laune-Faktor - die Echtzeit-Information, was dem Nutzer wann und wo gefällt.
Angst vor der totalen Überwachung
Geolocationdienste wie Facebook Places schlagen aber auch ein neues Kapitel der Internet-Datenschutzdebatte auf. Bereits zum Start des Dienstes in den USA titelte das Technologieblog Techcruch: „Sind wir ein Stück näher an 1984?“ Der Autor des Beitrags fühlte sich an das „Liebesministerium“ des Romans von George Orwell erinnert, er bei der Präsentation des neuen Facebook-Dienstes auf einem großen Computerbildschirm eine Weltkarte sah, auf der in Echtzeit dargestellt wurde, wo Facebook-Nutzer gerade eincheckten.
Facebook hat anscheinend aus früheren Lektionen und dem Datenschutzfiasko des Internetkonzerns Google nach der Bekanntgabe des „Street View“-Starts in Deutschland gelernt und bemüht sich vorab, ein Big-Brother-Image gar nicht erst aufkommen zu lassen. „Facebook-Orte ist in der Grundeinstellung deaktiviert. Wer den Dienst nutzen möchte, muss aktiv zustimmen“, schreibt das Unternehmen. Liegt diese Freigabe vor, so erscheinen die Check-ins in den eigenen Neuigkeiten und abhängig von den Privatsphäre-Einstellungen auch in den Neuigkeiten der Freunde. Nur, wenn man es ausdrücklich so eingestellt hat, sind sie sichtbar für alle Internetnutzer.
Außerdem werden auf der Facebook-Seite des jeweiligen Ortes in dem Feld „Personen, die jetzt hier sind“ die Namen der Nutzer aufgelistet, die dort sind. Diese Standortangaben verschwinden laut Facebook nach einigen Stunden automatisch. Außerdem werden sie überschrieben, sobald man an einem neuen Ort eincheckt. „Facebook erstellt keine Bewegungsprofile“, betont das Unternehmen.