Der Nachbar jubelt, man selbst zittert noch: Zeitverzögerung bei TV-Signalen ist ärgerlich. Zumal es an teuren HDTV-Gerät liegt.
Vorbei die Zeiten, da die Tore zur gleichen Zeit fielen. Heute bringen es nicht nur die verschiedenen Übertragungsarten auf variable Zeiten, auch die Fernseher selbst sind unterschiedlich fix. Faustregel: Je besser das Bild, desto größer die Verzögerung. Einfache 50-Hertz-Geräte haben die geringsten, 200-Hertz-HDTV-Geräte die größten Rechenzeiten. So jubelt der eine, während der Nachbar noch sekundenlang zittert.
Insgesamt können bis zu zehn Sekunden zwischen dem Ereignis und seinem Erscheinen auf dem Bildschirm verstreichen. Dazwischen liegen Codier-, Sende- und Decodierzeiten. „Es sind viele Komponenten, die zu Verzögerungen führen“, sagt Rainer Schäfer vom Institut für Rundfunktechnik in München. „Bei der reinen analogen Übertragung ist die vernachlässigbar, doch kommt es bereits bei einer Satellitenstrecke mit Up- und Downlink zu einer Verzögerung von einer Viertelsekunde.“
Dabei geht die Zuführung zu den digitalen terrestrischen Sendeanlagen für DVB-T heute kaum noch über Satellit, sondern über Hochgeschwindigkeitsnetze, also Glasfaserleitungen. Zeitaufwendig sind aber die vor der Übertragung anfallenden Rechenoperationen in den Fernsehsendern. So werden die Signale bereits an der Quelle, sprich im Studio, codiert.
Aus dem ursprünglichen Studiosignal werden für das Standard-Fernsehen, sprich für PAL-Qualität, 2,5 bis vier Megabit. „Da sich dann für das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T) bis vier Programme einen Fernsehkanal teilen müssen, bekommt jede Sendung unterschiedliche Datenraten zugebilligt“, sagt Schäfer. Denn für ein schnelles Fußballspiel werden mehr Daten benötigt als für einen gemütlichen Trickfilm, der über denselben Kanal transportiert wird. „Durch dieses sogenannte statistische Multiplexing kann es zu Verzögerungen von 2,5 bis vier Sekunden kommen“, erläutert Schäfer. Die heutigen Codier- und Decodier-Techniken sind freilich schneller, doch werden die erst allmählich in die Sender eingebaut.
In Spezialfällen wird das digitale terrestrische Fernsehen noch stärker gefordert: In Stuttgart und Leipzig/Halle arbeitet RTL mit dem Codierverfahren MPEG-4. Damit lassen sich sechs statt nur vier Programme von Standardauflösung in einem TV-Kanal übertragen. Die effizientere Codiertechnik und eine komplexere Kanalbündelung brauchen aber auch mehr Zeit – drei bis sechs Sekunden nennen Experten.
Große Unterschiede gibt es auch beim Kabel. Noch immer spielt da Analogtechnik eine wichtige Rolle. Da TV-Produktionsfirmen kaum noch analoge Signale abgeben, müssen sie für die Satelliten- und Kabelübertragung neu generiert werden. „Für das ZDF-Hauptprogramm geschieht das in Betzdorf mit einem PALplus-Encoder. Zusammen mit der Satellitenlaufzeit kommt man da auf 0,6 Sekunden“, erklärt Bernhard Gronerad von der ZDF-Programmverbreitung.
Noch werden vom Satelliten drei Übertragungsarten bedient – analog, digitales Standard- und digitales hochauflösendes Fernsehen. Am April 2012 soll sich das ändern: Analog wird abgeschaltet. Was bleibt ist Effizienz in der Übertragung, aber rechenintensive und bildverbessernde Digitaltechnik. Cisco Systems, einer der Ausrüster für Satellitenempfangs- und Verteilstationen (Kopfstellen), geht für digitales Standardfernsehen von Ende-zu-Ende-Laufzeiten von 2,5 Sekunden aus. Wenn dagegen jedem der gemeinsam übertragenen Programme variable Bitraten zugestanden werden (statistisches Multiplexen), seien es etwa vier Sekunden. Kommen noch die Decoder in den Fernsehern und Set-Top-Boxen hinzu. Sie brauchen heute laut Loewe zwischen 0,1 und 0,2 Sekunden.
Die Wege der Programmverbreitung unterscheiden sich in vielen Punkten. Für das analoge Kabel werden an den Kopfstellen entweder lokale DVB-T-Signale oder Satellitenprogramme in Standardauflösung empfangen und in die analoge Welt rückgewandelt und eingespeist. Wären alle Haushalte bereits digital oder gar mit HDTV versorgt, könnte dieser Aufwand entfallen.
Immer öfter versorgen die Produktionsfirmen die Kabelnetze direkt: über sogenannte Colocation-Center, von dort führen Glasfaserleitungen direkt zu den verschiedenen Kabelnetzen. Dabei entfallen die Satellitenlaufzeiten.
Beim Internetfernsehen spielt das Web selbst keine große Rolle, nur die Bildcodierer bestimmen die Laufzeiten. Müssen Datenblöcke gepuffert werden, weil die Übertragungskapazitäten im Internet schwanken, kommen längere Laufzeiten zustande. Beim mobilen TV mit dem Handy via UMTS werden mit zunehmender Netzauslastung die Zeiten immer länger, denn jeder Zuschauer bekommt seinen eigenen Datenstrom zugesendet – Broadcasting ist was anderes. Immerhin sollen über 50.000 Zuschauer die Spiele unterwegs verfolgen – nicht zuletzt an den Arbeitsplätzen, wo keine Fernseher zur Verfügung stehen. Doch dann gibt es ohnehin keinen Vergleich zum Echtzeit-Fernsehen.