Harald zur Hausen ist noch nicht zum Feiern gekommen – es gab einfach zu viele Gratulanten und Anfragen. Seine Entdeckung, dass Viren auch Krebs auslösen können, ist nicht nur für Frauen wichtig: Die Biester werden beim Geschlechtsakt übertragen. Morgenpost Online sprach mit dem Träger des Medizin-Nobelpreises.
Morgenpost Online
: Herr zur Hausen, haben Sie gestern Abend gut gefeiert?
Zur Hausen
: Nein, dazu hatte ich wegen der vielen Anfragen und Anrufe leider noch gar keine Zeit.
Morgenpost Online
: Sie konnten sich ja schon ein paar Jahre auf den Nobelpreis vorbereiten – schließlich ist Ihre bahnbrechende Entdeckung, dass auch Viren Krebs auslösen können – schon etwas älte.
Zur Hausen
: Ja, aus Kollegenkreisen sind schon immer wieder Andeutungen gemacht worden. Aber wirklich damit rechnen tut man natürlich nie.
Morgenpost Online
: Dank Ihrer Forschung wird nun vermehrt nach anderen Viren gesucht, die Krebs auslösen können. Welche Krebsarten sind das?
Zur Hausen
: Das Epstein-Barr-Virus kann offenbar Lymphome, Magenkrebs und Tumore im Nasen-Rachen-Raum auslösen. Das Hepatitis B-Virus kann Leberkrebs fördern. Auch für das Merkel-Zell-Polyoma-Virus verdächtigen Forscher als Auslöser für spezielle Krebsarten.
Morgenpost Online
: Wird es dann bald auch gegen alle diese Krebsarten Impfstoffe geben, so wie es den Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs gibt?
Zur Hausen
: Nein, das glaube ich nicht. Einige dieser Viren, etwa Hepatitis-Viren, ändern sehr schnell ihre Gestalt, so wie es auch das Aids-Virus tut. Da muss noch viel geforscht werden. Aber bei dem Humanen Papilloma-Virus funktioniert die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs ja sehr gut. Sie wird für alle Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland empfohlen.
Morgenpost Online
: Frauen können mit Abstrichtests heute feststellen, ob sie das Virus in sich tragen. Halten Sie das für sinnvoll?
Zur Hausen
: Eine Frau sollte nur in Absprache mit dem Arzt einen solchen Test machen, das heißt, wenn bereits bei der normalen Vorsorgeuntersuchung eine Abnormalität erkennbar ist.
Morgenpost Online
: Sie sprechen sich sogar dafür aus, dass auch Jungen geimpft werden sollten.
Zur Hausen
: Das stimmt. Die Viren werden beim Geschlechtsakt übertragen und können ja nicht nur Gebärmutterhalskrebs auslösen, sondern auch Mundhöhlenkrebs, Analkrebs und Genitalwarzen. Sie stellen also auch eine Gefahr für Männer dar. Und wenn sie nicht selbst erkranken, weil ihr Immunsystem das Virus in den Griff bekommt, könnten sie es dennoch auf andere übertragen. Ich benutze da immer den Begriff der „gender solidarity“ – also der Verantwortung der Geschlechter für einander.
Morgenpost Online
: Gebärmutterhalskrebs ist ja in den Industrienationen wie Deutschland wegen der guten Vorsorge ein vergleichsweise geringes Problem. Viel schlimmer sieht die Lage ja in den Schwellenländern aus – hier treten über 80 Prozent der Gebärmutterhalskrebserkrankungen weltweit auf.
Zur Hausen: Das stimmt. Bei uns werden Veränderungen der Schleimhaut in vielen Fällen schon sehr früh erkannt. Wenn in den Schwellenländern die Diagnose Gebärmutterhalskrebs gestellt wird ist es häufig schon zu spät. In Indien und China fängt man mittlerweile an, die Vorsorge zu verbessern. In Afrika ist man noch nicht so weit. Der Impfstoff dürfte nur wenige Dollar pro Impfung kosten, um flächendeckende Impfungen überhaupt zu ermöglichen.
ph