Forschungspolitik

Zahl der Versuchstiere soll sinken

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Manuela Heberer

Mehr als zwölf Millionen Tiere werden in europäischen Laboren jedes Jahr für Tierversuche eingesetzt. Jetzt will die EU diese Zahl verringern, Versuche mit Menschenaffen sollen sogar vollständig verboten werden. Das Schicksal der anderen Labortiere bleibt ungewiss. In Deutschland waren es 2006 über 2,5 Millionen.

Die Europäische Kommission will Versuchstiere besser schützen. Dazu hat sie jetzt einen Vorschlag vorgelegt, nach dem EU-weit gleiche Bedingungen für die Industrie vorgesehen sind und die Qualität der Forschung in der EU verbessert werden soll. Mit diesen Bestimmungen will die Kommission die Anzahl der Versuchstiere so weit wie möglich reduzieren.

Der zuständige EU-Kommissar Stavros Dimas erklärte: „Es ist sehr wichtig, Tierversuche immer mehr zu vermeiden. Die wissenschaftliche Forschung muss sich darauf konzentrieren, Alternativen zu Tierversuchen zu finden.“ Wenn es keine Alternativen gäbe, müsse das Wohlergehen der zu Versuchszwecken eingesetzten Tiere verbessert werden.

Gemeint sind alle lebenden Wirbeltiere und andere Arten, denen ein Schmerzempfinden zugesprochen wird. „Wegen ihrer genetischen Nähe zum Menschen und ihren hochentwickelten sozialen Fertigkeiten bestehen bei der Verwendung von Menschenaffen ethische Fragen“, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Parlaments.

Nach dem jetzt vorgelegten Vorschlag sollen Tierversuche mit Schimpansen, Gorillas, Bonobos und Orang Utans zukünftig verboten werden. In einigen EU-Mitgliedsstaaten, wie Österreich, Schweden und den Niederlanden, ist dieses Verbot bereits festgeschrieben. EU-weit wurden Menschenaffen zum letzten Mal 1999 für Tierversuche eingesetzt, in Deutschland ist seit 1991 kein Fall mehr bekannt.

Andere Primatenarten werden dagegen durchaus als Versuchstiere in deutschen Laboren benutzt. Die letzten Zahlen der Bundesregierung stammen aus dem Jahr 2005. Dort waren insgesamt 2105 Affen wie Meerkatzen, Makaken, Kapuzineraffen und Totenkopfäffchen für Versuchszwecke gemeldet. Für diese Arten soll die Verwendung lediglich eingeschränkt werden. Ein grundsätzliches Verbot für den Einsatz nichtmenschlicher Primaten in Tierversuchen wird es demnach vorerst nicht geben.

In der Erklärung der EU-Kommission heißt es dazu, dass „die Verwendung einer beschränkten Anzahl anderer Arten nichtmenschlicher Primaten allerdings weiterhin für mehrere lebenswichtige Forschungsprogramme unvermeidlich“ ist. So sei bei Immun- und Infektionskrankheiten wie Aids, Malaria und Hepatitis die Forschung mit Primaten notwendig, um entsprechende Impfstoffe und Arzneimittel zu entwickeln und herzustellen. Im Vergleich mit anderen Versuchstieren machen Primaten allerdings einen eher geringen Teil aus. EU-weit waren es 2005 nur 0,09 Prozent.

Allein im Jahr 2005 wurden in den Laboren der damals noch 25 EU-Mitgliedstaaten insgesamt über 12,1 Millionen Tiere für Versuchszwecke eingesetzt. In Deutschland waren es über 2,4 Millionen, ein Jahr später sogar mehr als 2,5 Millionen. Den weitaus größten Teil machen Mäuse aus, gefolgt von Ratten, Kaninchen, Fischen, Vögeln und Meerschweinchen.

Auch Hunde, die treuesten Begleiter des Menschen, werden für Tierversuche benutzt. Immerhin waren 2005 etwa 4900 Hunde zu Versuchszwecken in Deutschland gemeldet. Bei Forschern scheinbar besonders beliebt ist der Beagle. Beinahe schon als typischer Laborhund zu bezeichnen, werden an ihm zahlreiche Medikamente für die Human- und Veterinärmedizin getestet.

Für den Deutschen Tierschutzbund geht der Entwurf der EU-Kommission nicht weit genug, jedoch werden die Absichten begrüßt. „Dies ist die Gelegenheit für eine prinzipielle Umkehr. Tierversuche dürfen nicht einfach erlaubt sein. Wenigstens ein grundsätzliches Verbot mit streng geprüften Ausnahmefällen ist längst überfällig“, fordert Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes und Leiterin der Akademie für Tierschutz in Neubiberg.

Es seien deutlich höhere Anforderungen an Transparenz und Kontrolle bei Tierversuchen notwendig, denn die momentan gültigen Vorschriften seien mit 22 Jahren völlig veraltet und würden nicht greifen. „Entgegen allen politischen Absichtserklärungen steigen deutschland- und europaweit die Tierversuchszahlen seit Jahren an“, so Rusche.

Der Entwurf wird voraussichtlich noch in diesem Jahr im Europäischen Parlament und EU-Ministerrat diskutiert. Können sich die Vertreter einigen, sind die Mitgliedstaaten gefordert, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung fördert seit 1984 die Forschung nach Methoden, welche Tierversuche zukünftig ersetzen.

Für die Entwicklung von Kosmetikprodukten dürfen laut Tierschutzgesetz in Deutschland grundsätzlich keine Tiere mehr eingesetzt werden. Trotzdem ist die Anzahl der Versuchstiere in den letzten Jahren gestiegen. Mindestens die Hälfte von ihnen wird jedes Jahr getötet.