Ist mein Busen zu klein oder sind die Beine zu dick? Viele Frauen kennen diese Fragen. Und es gibt Tage im Leben, da zweifeln sie gänzlich an ihrer Attraktivität. Normalerweise gehen diese Phasen wieder vorbei, die krumme Nase oder der Speckansatz am Bauch werden mit Gelassenheit ertragen. Studien der Universität Marburg belegen jedoch, dass 1,5 Prozent der Bevölkerung genau das nicht können: Der Zweifel an der eigenen Attraktivität wird zur Angst vor der Hässlichkeit, auch Dysmorphophobie genannt. „Betroffene sind der Überzeugung in ihrem äußeren Erscheinungsbild stark entstellt zu sein“, sagt Professor Ulrich Stangier, Psychologe an der Universität Jena.
Doch das, was von den Betroffenen als Makel betrachtet wird, ist von Außenstehenden kaum wahrzunehmen. „Dysmorphophobiker betrachten sich selbst mit einer verzerrten Wahrnehmung“, sagt Regine Hungerbühler, Diplom-Psychologin aus Bern.
Angst vor Ablehnung
„Wir wissen, dass die Wahrnehmung des Körpers zu einem großen Teil durch subjektive Faktoren wie psychische und soziale Erfahrungen geprägt wird“, erklärt Diplom-Psychologin Ada Borkenhagen aus Berlin. „So kann sich ein gestörtes Selbstwertgefühl in einem Minderwertigkeitserleben bestimmter Körperteile ausdrücken.“
Aus Angst abgelehnt zu werden, ist im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung an eine Teilhabe am normalen Leben kaum noch zu denken. „Die meisten Dysmorphophobiker ziehen sich im Laufe der Erkrankung immer mehr zurück“, sagt Hungerbühler.
Im Wunsch nach Schönheit setzen viele Dysmorphophobiker auf die Schönheitschirurgie: „Sie glauben felsenfest, dass ihr Problem rein körperlicher Natur ist“, erklärt Hungerbühler. Ob Fettabsaugen oder Brust-OPs – das Resultat ist für die Betroffenen nur selten befriedigend, weiß Stangier. Nicht selten werden weitere Operationen geplant. Der Leidensdruck ist groß. „Über 40 Prozent der Dysmorphophobiker haben Selbstmordgedanken“, sagt Hungerbühler.
Auslöser in der Pubertät
Wodurch entsteht die Erkrankung? „Die Auslöser liegen häufig in der Pubertät und im frühen Erwachsenenalter“, sagt Stangier. Wenn neben die normalen Identitätskrisen weitere große Belastungen treten, können Ängste chronisch werden. Auch Einflüsse aus der Kindheit, zum Beispiel eine perfektionistische Mutter, können die Grundlage bilden.
„Der wichtigste Schritt zur Heilung ist die Einsicht, dass man psychisch erkrankt ist“, sagt Hungerbühler. Wenn die Störung noch im Anfangsstadium ist, sollten Betroffene möglichst schnell versuchen, sich nach außen zu orientieren. „Treffen Sie Freunde, suchen Sie sich neue Hobbys und Freizeitaktivitäten.“ Besonders Sport kann helfen, die Körperwahrnehmung zu stärken und zu verbessern.
Aus eigener Kraft gelingt eine Heilung nur selten. „Die meisten Betroffenen brauchen therapeutische Hilfe“, sagt Stangier. „Leider sind viele Psychotherapeuten nicht ausreichend über diese Störung informiert.“ Auf der Suche nach kompetenter Hilfe stoßen Betroffene daher häufig auf Reaktionen, die ihnen den Mut nehmen. Der Experte rät daher, sich bei den Hochschulambulanzen der psychologischen Institute über die Störung zu informieren.