Rom. In Italien tankten Autofahrer wohl ihre Wagen mit geklautem Kerosin – aus einer Nato-Pipeline. Hunderttausende Liter wurden gestohlen.

Wer Anfang 2019 mit seinem Auto in Italien Urlaub machte, könnte seinen Wagen mit Flugzeug-Kerosin betankt haben. Kriminelle hatten den Treibstoff aus einer Pipeline gestohlen und dann an unwissende Autofahrer in Italien weiterverkauft. Dabei ist der ungewöhnliche Diebstahl durch einen Umstand besonders dreist. Gehört die Pipeline doch nicht irgendeinem Flughafen, sondern dem größten Militärbündnis der Erde: der Nato.

Wie eine Sprecherin des Verteidigungsbündnisses jetzt der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, hatten die Kriminellen für den Diebstahl in einem Feld unweit der belgisch-französischen Grenze eine der Röhren eines Pipeline-Systems der Nato angezapft. Die Tat sei im Juni 2019 entdeckt worden, hieß es. Es gehe um etwa 800.000 Liter Flugzeug-Treibstoff, die gestohlen worden seien.

Die Finanzpolizei in Rimini berichtete erstmals vor einigen Tagen von den umfangreichen Ermittlungen zu dem Fall in Italien. Demnach sei das gestohlene Kerosin von einer dort ansässigen Bande nach Italien gebracht und illegal an nichts ahnende Autofahrer weiterverkauft worden sein. Ob dabei Schäden an den Fahrzeugen entstanden, war zunächst nicht bekannt. Die italienische Behörde gab die Menge des gestohlenen Kerosins sogar mit rund 900.000 Litern an.

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Pipeline-System versorgte auch Zivilflughäfen in Brüssel, Frankfurt und Amsterdam

Das angezapfte zentral-europäische Pipelinesystem (CEPS) ist ein wichtiger Teil des Nato-Verteidigungssystems. Es erstreckt sich über mehrere Nato-Staaten wie Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande und ist darauf ausgelegt, jederzeit den Bedarf des Bündnisses an Erdölerzeugnissen zu decken. Dafür verbindet es zum Beispiel Luftwaffenstützpunkte wie die im rheinland-pfälzischen Ramstein und Büchel mit Speicheranlagen, Pumpstationen und Einspeisepunkten.

Auch Zivilflughäfen nutzen das Pipelinesystem. Diese nicht-militärischen Kunden verwenden die Pipeline in großem Umfang für Transport und Lagerung von Kerosin. So versorgt es nach Nato-Angaben die großen Zivilflughäfen in Brüssel, Frankfurt, Luxemburg, Amsterdam und Zürich.

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Kriminelle Vereinigung soll für Anzapfen der Nato-Pipeline verantwortlich sein

Der Finanzpolizei von Rimini zufolge sei eine kriminelle Vereinigung für den Diebstahl und Export des Treibstoffs verantwortlich. Drei Unternehmer seien demnach die Anführer der Gruppe, die das gestohlene Kerosin nach Italien bringen ließ. Hier verkauften Kraftstoffhändler das Kerosin an ahnungslose Autofahrer. Vor dem Verkauf wurde der Treibstoff in einem illegalen Lager aufbewahrt und dort mit Diesel und Öl gestreckt.

Im Zuge der Ermittlungen konnten nach Angaben der Finanzpolizei neben den drei Unternehmern mehrere Dutzend Mittelsmänner aufgespürt werden. Sie waren am Kerosin-Verkauf in verschiedenen italienischen Regionen beteiligt. Im Laufe der Ermittlungen wurden zudem unter Anwendung von Anti-Mafia-Vorschriften Vermögenswerte in Höhe von mehreren Millionen Euro beschlagnahmt.

Seit dem Diebstahl 2019 soll kein anderen Fall der Nato oder den Strafverfolgungsbehörden bekannt geworden sein. Es gebe ein mehrschichtiges Sicherheitssystem, um das rund 5300 Kilometer lange CEPS-Netzwerk zu schützen, sagte die Sprecherin der zuständigen Nato-Presseagentur. Die beteiligten Mitgliedstaaten täten alles dafür, um einen weiteren Diebstahl weitestmöglich auszuschließen.

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