Zehntausende Festival-Besucher stecken im Wüstenschlamm von Nevada fest. Jens Doka schildert, wie er es aus der Wüste geschafft hat.

Schlamm, Dreck und alles ist nass. Zehntausende Besucher kamen zum Feiern, Musik hören und Kunst bestaunen in die Wüste nach Nevada. Dann setzten heftige Regenfälle ein, und das Gelände des Festivals "Burning Man" in den USA verwandelte sich in ein riesiges Schlammbad. Noch immer sitzen Tausende Besucher dort fest. Denn Autos drohen im matschigen Wüsten-Boden stecken zu bleiben. Einige wanderten mehrere Kilometer zu Fuß durch den Schlamm zur nächsten größeren Straße und ließen sich dort abholen. Bislang ist nicht sicher, wann die Besucherinnen und Besucher wieder abreisen können. Die Polizei forderte sie daher auf, Essen und Wasser zu sparen. Jens Doka hat es mit seiner Frau aus der Wüste herausgeschafft. Wir haben mit dem Münchner über seine Eindrücke gesprochen.

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Herr Doka, Sie waren beim "Burning Man". Wann haben Sie gemerkt, hier läuft etwas schief?

Jens Doka: Freitagnachmittag hat es richtig angefangen zu regnen. Um 14 Uhr wurde es unmöglich, Fahrrad zu fahren. Da waren alle noch gut gelaunt und sich der Tragweite vermutlich noch nicht bewusst. Doch am Samstagmorgen war den meisten klar, dass es ernst wird. Einige Camps sind regelrecht im Schlamm versunken. Es gab ein offizielles Fahrverbot und die Aussage, dass alle Ausgänge gesperrt seien und niemand rauskäme, das sei "Emergency Protocol" und wir würden ohnehin nach 100 Metern steckenbleiben.

Warum haben Sie entschieden, dass Sie trotzdem raus müssen?

Wir hatten am Sonntagvormittag unseren Rückflug aus Reno. Und uns war früh klar, dass sich die Situation nicht verbessert, dass wir möglicherweise vor Dienstag oder Mittwoch nicht aus der Wüste rauskommen. Es braucht wenigstens einen reinen Sonnentag, damit die Wüste abtrocknen kann. Der sollte erst am Montag kommen. Also haben wir gesagt: Wir gehen das Risiko ein und fahren raus.

Sie wollten also mit dem Auto durch die Schlammwüste bis zur nächsten Straße?

Genau. Wir waren nur zu zweit, hatten einen Allrad-SUV und waren bei Freunden in einem Camp in der Nähe des Festival-Ausgangs. Es gab zwar ein generelles Fahrverbot, aber ein paar haben es eben trotzdem versucht. Wir konnten sehen, wer aus der Wüste rauskommt und wer nicht. Pickups mit Anhänger oder Wohnmobile sind schon am Anfang steckengeblieben, normale Pkw mit Zweirad-Antrieb kamen oft nur wenige Meter weit. Aber leichtere SUVs kamen durch – zumindest drei oder vier.

"Burning Man": Einige nehmen den Schlamm gelassen und bauen damit lustige Figuren. © Dr. Corinna-Rosa Falkenberg

Dann haben Sie einfach probiert herauszufahren?

Das kann man nicht probieren, wenn man stehenbleibt, steht man für immer. Die Zufahrtsstraße geht sieben Meilen durch die Wüste, elf Kilometer bis zum Teer. Der Schlamm ging deutlich über die Knöchel. Man fährt im Grunde wie im Tiefschnee mit Eis darunter. Man hat überhaupt kein Gefühl für die Lenkung. Von den sieben Meilen bis zur Teerstraße ist der SUV zwanzig Prozent der Zeit quergestanden und ich habe gegengelenkt. Das war eine reine Schlitterpartie. Und wir sind ziemlich schnell gefahren, um ja nicht stehenzubleiben. Aber: Wir sind durchgekommen.

Und die anderen?

Hinter uns haben wir niemanden mehr gesehen. Unsere Mitcamper sind mit zwei schweren Offroad-Pickups drei Stunden später auch rausgekommen. Die meisten sind allerdings zu Fuß losgegangen. Am Flughafen haben uns andere Burner (Anm. d. Red.: "Burning Man"-Besucher) erzählt, dass die Ausfahrt voll war mit steckengebliebenen Autos und Wohnmobilen.

Wie konnte es denn erst so weit kommen, war das Unwetter nicht im Vorfeld abzusehen?

Es hat zumindest alle überrascht, wie viel und wie lange es geregnet hat. Es war stürmisch und bekannt, dass es regnen sollte, aber diese heftigen Auswirkungen ... vielleicht will man das schlicht nicht sehen, einerseits ist man in der Wüste und zum anderen gelten beim "Burning Man" auch sonst völlig andere Gesetze.

Sie haben eingangs gesagt, die Festival-Besucher hätten sich anfangs die Stimmung nicht vermiesen lassen. Wann ist die Stimmung gekippt?

Das kann ich nicht generell sagen. In einem kleinen Zelt ist die Lage anders als in einem Wohnmobil mit Küche und eigener Toilette. Als wir gegen 12 Uhr losgefahren sind, hatten die meisten noch die typische Hilfsbereitschaft und die positive Grundhaltung, niemand erwartet beim "Burning Man" einen Wellness-Urlaub. Aber am Abend und morgens, als wir in Reno ankamen, waren die Nachrichten von Freunden schon zum Teil niedergeschlagen, als sich abzeichnete, dass man entweder zu Fuß rausgeht, oder noch richtig lange festhängt. Außerdem müssen Mietwagen und Wohnmobile sauber zurückgegeben werden, mit zähem Schlamm in Radkästen und überall in der Verkleidung nicht so einfach. Viele hatten Rückflüge und mussten zur Arbeit oder zu Terminen.

Im Internet gab es viele Reaktionen und auch Häme gegenüber den Festival-Besuchern. Haben Sie davon etwas vor Ort mitbekommen?

Nein. Vor Ort gibt es ohnehin wenig Internet. Ich hatte überhaupt kein Netz. Es ist Teil des Spiels, dass man dort offline ist. Häme kann ich aber nicht verstehen. Das ist eine heikle Situation und Organisatoren und Teilnehmer haben sich extrem Mühe gegeben, sich gegenseitig zu helfen und das Beste aus der Situation gemacht.

Trotz der diesjährigen Schlammschlacht: Wollen Sie nächstes Jahr wieder hin?

Unbedingt, das "Burning Man" ist absolut großartig, und da ändert auch ein ungemütliches Finale nichts dran.