Gericht

Brückeneinsturz: Vier Männer wegen Fahrlässigkeit angeklagt

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Jessica Hock
Die neue Autobahnbrücke über die A7 bei Schweinfurt befand sich gerade im Bau, als ein Streckenabschnitt in sich zusammensackte. Ein Bauarbeiter starb, mehrere wurden verletzt.

Die neue Autobahnbrücke über die A7 bei Schweinfurt befand sich gerade im Bau, als ein Streckenabschnitt in sich zusammensackte. Ein Bauarbeiter starb, mehrere wurden verletzt.

Foto: Hajo Dietz / dpa

Sieben Jahre nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke stehen Statiker und Ingenieure vor Gericht. Sie sollen fahrlässig gehandelt haben.

Schweinfurt. Metalldrähte winden sich wie Haarsträhnen aus Betonpfeilern; sie ragen zwischen Trümmern, Gerüstteilen und Haufen angedickten Betons hervor. Der Schutt türmt sich meterhoch auf. Vom Korb am Ende einer Drehleiter aus verschaffen Rettungskräfte sich ein Bild von der Lage. Was sie sehen, sind die Überreste von 40 Metern Autobahnbrücke.

Die Schraudenbach-Talbrücke bei Werneck in Unterfranken befand sich gerade im Bau, als am 15. Juni 2016 ein neuer Brückenabschnitt einstürzte. 14 Arbeiter wurden verletzt, teils lebensgefährlich. Einer von ihnen, ein damals 38-Jähriger mit kroatischen Wurzeln, überlebte das Unglück nicht. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Ein Prozess vor dem Landgericht Schweinfurt soll nun, sieben Jahre später, endgültig klären, wie es zu alledem kommen konnte.

Prozessauftakt: Prüfer sollen Pflichten vernachlässigt haben

Vor Gericht stehen beim Prozessauftakt am Montag, 13. März, in Schweinfurt vier mutmaßliche Verantwortliche. Die Staatsanwaltschaft wirft zwei Prüfingenieuren – 49 und 65 Jahre alt – sowie einem 51-jährigen Statiker fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung in 14 Fällen vor. Ein 59-jähriger Prüfingenieur wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassung angeklagt.

Der 51-jährige Angeklagte soll laut Staatsanwaltschaft nicht mit der nötigen Sorgfalt gehandelt haben, als er die Statik für die Traggerüstkonstruktion berechnete und die entsprechenden Zeichnungen anfertigte. Dies habe zur Folge gehabt, dass das Traggerüst letztlich nicht stark genug war und den 1500 Tonnen Beton, die die Arbeiter am Tag des Unglücks in der Schalung verteilten, nicht standhielt. Der Brückenabschnitt sackte zusammen und riss das Gerüst mit sich, auf dem die Männer arbeiteten.

Dem Statiker wird jedoch keine Alleinschuld angelastet. Sein 59-jähriger Mitangeklagter war vom Freistaat Bayern mit der Prüfung der statischen Konstruktion betraut. Dieser Pflicht sei er laut Staatsanwaltschaft aber nicht nachgekommen, sondern habe sie an einen 65-jährigen Subunternehmer abgetreten. Der übertrug die Prüfung wiederum seinem 49 Jahre alten Angestellten. Laut Staatsanwaltschaft hätten alle drei Angeklagten die Fehler in der Brückenkonstruktion und den entsprechenden Berechnungen erkennen können und müssen.

Verteidiger spricht von „nicht genehmigtem Schwarzbau“

Der Kammer dürfte ein langwieriges und selbst für Sachverständige sehr komplexes Verfahren bevorstehen, heißt es in einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur. Zwölf Verhandlungstage sind angesetzt. Als Nebenkläger treten die Witwe des verstorbenen Bauarbeiters und drei seiner Kollegen auf, die bei dem Unglück verletzt wurden.

Der Verteidiger des 59-Jährigen äußerte beim Prozessauftakt Kritik an der Staatsanwaltschaft. Es sei von Anfang an falsch ermittelt worden: Statt der Statiker und Ingenieure hätte man die Baufirma in die Verantwortung ziehen müssen. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, das Traggerüst beim Betonieren zu überwachen. „Das Traggerüst wurde abweichend von den Ausführungszeichnungen aufgebaut“, so die Argumentation des Anwalts. Es hätten Schrauben und Verbindungen gefehlt, an die Pläne habe man sich nicht gehalten. Diese Abweichungen seien aber nicht gestattet und vom Planer dementsprechend nicht bestätigt worden. „Im Grunde handelt es sich um einen nicht genehmigten Schwarzbau.“

Erstes Verfahren 2019 wegen Gutachtenmängel ausgesetzt

Zwei der vier Verteidiger stellten gleich zu Beginn außerdem klar, dass sie das Gutachten des gerichtlich bestellten Bausachverständigen ablehnten. Ein Anwalt argumentierte mit Befangenheit. Die Verteidigerin des 65-jährigen Angeklagten zweifelte außerdem die fachliche Eignung des Sachverständigen an. Der sei kein Experte für Stahlbau und müsste daher Dritte für ihre Sachkunde hinzuziehen. Genau das sei aber unzulässig, da die Erstellung eines Gutachtens eine „höchstpersönliche Pflicht darstelle“.

Schon in einem ersten Prozess um den Brückeneinsturz im November 2019 hatte es Probleme mit einem Gutachten gegeben, woraufhin die Verhandlung nach nur sechs Tagen wieder ausgesetzt worden war. Das mündliche Gutachten des damaligen Sachverständigen wich damals in wichtigen Punkten vom schriftlichen Gutachten ab.

Das Gericht beantragte ein neues bautechnisches Gutachten, auf dessen Grundlage letztlich auch Anklage gegen den 65-jährigen Subunternehmer erhoben wurde. Im ersten Prozess waren nur die drei anderen Männer angeklagt. Sie hatten aber jegliche Verantwortung für das Unglück von sich gewiesen. (mit dpa)