Berlin. In Hochinzidenzgebieten ist das Infektionsrisiko deutlich höher als hierzulande. Sollte man überhaupt nach Spanien und Co. reisen?
Nachdem die Zahl der Corona-Neuinfektionen im Mai und Juni europaweit zurückgegangen war, steigen die Inzidenzen in vielen Ländern nun wieder. Grund dafür ist wohl auch die Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante. Gleichzeitig stagniert die Impfquote in Deutschland. Experte warnen schon jetzt vor stark steigenden Fallzahlen in den kommenden Wochen.
Viele wollen trotzdem nicht auf den Sommerurlaub verzichten. Doch insbesondere beliebte Urlaubsländer der Deutschen bergen zunehmend ein hohes Ansteckungsrisiko. Seit dem 27. Juli werden Spanien und die Niederlande als sogenanntes Hochinzidenzgebiet eingestuft, Portugal steht schon länger auf der Liste des Robert Koch-Instituts (RKI).
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Corona: Infektionsrisiko im Urlaub ist abhängig vom Verhalten
Eine Reise in die Länder ist zwar möglich, aber gerade bei der Rückkehr nach Deutschland muss man einige Einschränkungen hinnehmen. Das verunsichert viele Reisende. Denn wenn das Infektionsrisiko im Urlaubsland so hoch ist – sollte man dann überhaupt dort verweilen?
Laut dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit sagt allein die Einstufung als Hochinzidenzgebiet noch nicht viel über die gesundheitliche Gefahr der Reise aus. Der Experte, der am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg arbeitet, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass es vor allem auf die Art des Urlaubs ankomme. „Keine Reise ist wie die andere, und jeder Reisende ist anders.“

Corona-Impfung ist kein Freifahrtschein für Urlaub
Dabei sollte man trotz Corona-Impfung nicht unverantwortlich handeln, so Schmidt-Chanasit. Eine Impfung sei kein „Persil-Schein“, alle Schutzmaßnahmen bei einem extrem hohen Infektionsgeschehen über Bord zu werfen, betont der Experte.
Geimpft zu sein führt laut dem Virologen nicht zwangsläufig zu einer sterilen Immunität. „Das heißt, ich kann mich noch anstecken und das Virus auch weitergeben, wenn auch seltener als Ungeimpfte.“ Sehr gut geschützt sei man aber vor Hospitalisierung und schweren Krankheitsverläufen. „Ich würde vor einer Reise immer empfehlen, rechtzeitig geimpft zu sein“, empfiehlt Schmidt-Chanasit.
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Urlaub in Hochinzidenzgebieten: Menschenmassen meiden
Aus Sicht des Virologen bleibt vieles am Verhalten der Urlauber hängen. Wer im Urlaub Hygieneregeln befolgt, Abstand hält und Innenräume meidet, kann Infektionen auch bei höheren Inzidenzen vermeiden.
„Wenn ich am Ballermann feiern gehe, ist es klar, dass ich ein höheres Risiko habe. Man sollte sich schon fragen: Kann ich nicht eine andere Art von Urlaub machen?“ Das heiße nicht, dass man nicht nach Spanien könne. „Nur Discos und Veranstaltungen mit Menschenmassen sollte ich möglichst vermeiden“, so Schmidt-Chanasit.
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Virologe: So kann man mit geringem Corona-Risiko Urlaub machen
Nach Ansicht des Experten gibt es Möglichkeiten, den Urlaub auch in einem Hochinzidenzgebiet relativ risikoarm zu verbringen. Beispiel: „Wenn man hier in Deutschland ins Auto steigt und nach Spanien zu einer Finca fährt, um dort zwei Wochen Urlaub zu verbringen, dann ist das eine ziemlich sichere Variante“, sagt Schmidt-Chanasit. Ins Nachbarland Niederlande fährt man ohnehin eher mit dem Auto.
Kontakt zu anderen Menschen bestehe dann vielleicht noch im Supermarkt oder an der Tankstelle. „Dort kann ich mich durch die AHA-L-Regeln schützen.“ Also Abstand halten, Hygienemaßnahmen einhalten, Maske tragen und - wenn möglich - in geschlossenen Räumen auf gute Durchlüftung achten. Wie in Deutschland auch.
Sommerurlaub trotz Corona: Wie hoch ist das Risiko beim Fliegen?
Laut dem Experten für Reisemedizin ist das Risiko auch in diesem Fall nicht sehr groß. „Sonst hätten wir viel mehr durch Flugreisen verursachte Infektionen registriert“, sagt Schmidt-Chanasit. Innerhalb des Flugzeugs seien die Maßnahmen der Airlines im Regelfall gut. Und auch die Reinigung der Luft funktioniere.
Auch der eigenen Gesundheit zuliebe sollte man nicht auf eine Auszeit verzichten, findet Schmidt-Chanasit. Man müsste den Urlaub aber eben so corona-sicher wie möglich gestalten. Das gehe vor allem durch eine Impfung, aber auch, indem man Gedränge und geschlossene Räume mit vielen Menschen meide.
Gerade Jugendliche hätten in der Pandemie auf viel verzichtet, er könne verstehen, dass viele die Ferien nun nutzen wollten. „Ich bin der Letzte, der ihnen etwas vorschreiben will. Es geht einfach darum, die Risiken klar aufzuzeigen. Dazu gehört auch: Wenn ihr positiv getestet werdet, kann das weitreichende Konsequenzen haben“, so Schmidt-Chanasit.
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Verschärfung der Einreiseregeln könnte auch Geimpfte betreffen
Aktuell diskutiert die Bundesregierung eine Verschärfung der Corona-Einreiseverordnung. Das Bundesgesundheitsministerium strebt wohl an, eine Testpflicht für alle Reiserückkehrer umzusetzen, wie unsere Redaktion berichtete. Bisher müssen sich Geimpfte und Genesene auch dann nicht testen lassen, wenn sie aus Hochinzidenzgebieten einreisen.
Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer begrüßt diese Idee: „Wir sehen tatsächlich schon, dass Reiserückkehrer gehäuft dazu beitragen, Infektionen nach Deutschland zu bringen“, sagte er am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“.
Das sei sicher auch darin begründet, dass bei Geimpften und Genesenen auf die Tests verzichtet werde, auch wenn sie aus Hochrisikogebieten kämen. Stürmer nannte dieses Vorgehen „fahrlässig“, weil bereits bekannt sei, dass sich auch Geimpfte mit der Delta-Variante anstecken könnten.
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(bml/dpa)