Berlin. Auf die nächsten sechs bis acht Wochen kommt es an: Gibt es in dieser Zeit deutliche Fortschritte beim Impfen gegen das Coronavirus, kommt Deutschland mit vergleichsweise geringen Einschränkungen durch die kalte Jahreszeit. Eine Quote von „deutlich über 70 Prozent“ vollständig Geimpfter in der Gesamtbevölkerung müsse in dieser Zeit erreicht werden, hieß es am Freitag aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums.
Inzwischen sind 34,5 Millionen Menschen in Deutschland oder 41,5 Prozent vollständig geimpft. Etwa 48 Millionen oder 57,9 Prozent haben mindestens eine Spritze erhalten. Das sei gut, reiche aber noch nicht, hieß es aus dem Haus von Minister Jens Spahn (CDU).
Dabei stützt sich das Ministerium auf neue Modellrechnungen aus dem Robert Koch-Institut (RKI). Sind 90 Prozent der über 60-Jährigen geimpft und 65 Prozent der 12- bis 59-Jährigen, wäre im Herbst und Winter ein erneuter drastischer Anstieg der Covid-19-Infektionen zu erwarten.
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Pandemie im Winter ab Impfquote von 75 Prozent beherrschbar
Die Sieben-Tage-Inzidenz könnte in diesem Szenario im November und Dezember auf bis zu 400 steigen, besonders betroffen auch Kinder unter 12 Jahren. Rund 6000 Covid-Patienten auf Intensivstationen könnten die Kliniken massiv belasten. Der bisherige Höchstwert wurde mit 5500 Patienten im Januar erreicht.
Wesentlich flacher würde die Infektionskurve verlaufen, wenn schon bald 75 Prozent der Bevölkerung zwischen 12 und 59 Jahren geimpft sind: Dann bliebe die Inzidenz im Winter wohl unter 150. Und auf den Intensivstationen lägen gerade einmal etwa 2000 Covid-Patienten – das wäre beherrschbar. Der Schritt von 65 zu 75 Prozent bei der Impfquote habe die größte Auswirkung im Kampf gegen die Pandemie.
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Der weitere Verlauf der Impfkampagne sei jetzt nicht mehr von der Verfügbarkeit der Impfstoffe abhängig, hieß es in Ministeriumskreisen, sondern ob eine breite Mehrheit mitmacht. In den kommenden Wochen gehe es vor allem darum, die Menschen zu erreichen, die sich zwar impfen lassen würden, sich aber nicht aktiv um einen Impftermin bemühen. Im Haus von Minister Spahn ist die Rede von Impfaktionen etwa bei Sportvereinen, auf Marktplätzen oder in Kirchen und Moscheen.
Eine hohe Impfquote unter Erwachsenen sei auch nötig, damit es nicht erneut zu massiven Einschränkungen für Kinder und Jugendliche wie etwa Schulschließungen komme. Am Ende sollten es nicht die Kinder ausbaden müssen, wenn sich die Erwachsenen nicht ausreichend schützen, hieß es.
Kinder ab zwölf Jahren können sich impfen lassen, die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt dies bislang für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen. Laut Ministerium sind derzeit etwa 500.000 oder rund zehn Prozent der 12- bis 17-Jährigen geimpft.
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Dritte Impfung ab Herbst für jeden, der will
Die Vakzine seien jetzt in ausreichenden Mengen vorhanden, auch im Herbst werden umfangreiche Lieferungen erwartet. Auch für mögliche Auffrischungen: Etwa neun bis zehn Monate nach dem ersten Durchgang könnte die dritte Impfung nötig werden, um das Schutzniveau hoch zu halten. Zunächst würden voraussichtlich Pflegebedürftige drankommen. Danach könne jeder, der will, seinen Impfschutz auffrischen.
Hintergrund: Der Mainzer Hersteller Biontech rechnet damit, dass die Schutzwirkung des mRNA-Vakzins nach sechs Monaten nachlässt. Eine dritte Dosis könnte nach sechs bis zwölf Monaten nötig sein. Die Auffrischung soll auch besser gegen die Delta-Variante schützen, die derzeit in vielen Ländern für einen drastischen Anstieg der Infektionszahlen sorgt.
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Klinische Studien könnten bereits im kommenden Monat beginnen. Nach ersten Erkenntnissen erhöht eine dritte Impfung die Menge der Antikörper gegen das Sars-CoV-2-Virus um das Fünf- bis Zehnfache.
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