Ordnung

Die Japanerin Marie Kondo räumt den Planeten auf

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Sören Kittel
Marie Kondo vor wenigen Wochen in New York. Die Japanerin hat inzwischen auch die US-Staatsbürgerschaft angenommen.

Marie Kondo vor wenigen Wochen in New York. Die Japanerin hat inzwischen auch die US-Staatsbürgerschaft angenommen.

Foto: Michael Loccisano / Getty Images

Marie Kondo hat weltweit Bücher verkauft – jetzt erobert die Japanerin mit einer TV-Show die Welt. Ordnung als spirituelles Erlebnis.

Berlin.  Ich kondone, du kondost, wir kondonen – im Deutschen funktioniert es noch nicht so gut, wie im Englischen. In den USA ist „We kondo“ eine neue Redensart geworden: Es geht um das gemeinsame radikale Aufräumen des Kleiderschrankes.

Und „kondo“ geht so: Alle Kleider auf einen Haufen werfen und dann jedes einzelne Kleidungsstück in die Hand nehmen. Wenn es „ein gutes Gefühl macht“, dann behält man das Shirt, die Socke, den Pulli. Wenn nicht: wegwerfen.

Die Japanerin Marie Kondo hat es nicht nur geschafft, dass ihr Nachname inzwischen ein Verb geworden ist. Sie hat eine Revolution in den Wohnungen ausgelöst. Die 34-Jährige hat bisher sieben Bücher zum Thema Aufräumen geschrieben, die mittlerweile in 40 Sprachen übersetzt wurden. Doch erst mit ihrer Netflix-Serie „Aufräumen mit Marie Kondo“ erreichte sie Weltruhm und ist damit ihrem Ziel ein Stück näher: „den ganzen Planeten aufzuräumen“.

Im Shinto-Schrein traf sie den „Gott des Aufräumens“

Schon mit fünf Jahren habe sie angefangen, die Dinge in ihrem Zimmer zu ordnen. Als Schulkind habe sie sich in der Klasse freiwillig gemeldet, erzählt sie in einem Interview, um sich um die Bücher im Klassenregal zu kümmern. „Und wenn ich fertig war, mein eigenes Zimmer aufzuräumen, habe ich mir die Zimmer meines Bruders und meiner Schwester vorgenommen.“ Wenn die fertig waren, kamen die Zimmer diverser Freunde dran.

Als Jugendliche half sie bei einem Shinto-Schrein aus. Sie putzte und räumte dort auf, aber dieses Gefühl, wenn der Schrein sauber und aufgeräumt war, beschrieb sie als spirituelles Erlebnis. Außerdem – so sagte sie der Zeitung „The Australian“ – habe sie in jener Zeit dort auch den „Gott des Aufräumens“ getroffen.

Sie sei ohnmächtig geworden und eine Stimme habe ihr gesagt: „Versuche nicht nur Dinge wegzuwerfen, sondern finde Sachen, die du behalten möchtest.“

Äußere Unordnung kann sich auch auf das Innenleben auswirken

Das ist heute das Motto für all ihre Aufräumkurse: Umgib dich nur mit etwas, das Freude in dir auslöst. Im Zentrum Tokios, wo Marie Kondo mit ihrem Mann und den beiden Töchtern bis vor Kurzem lebten, sind die Wohnungen klein. Aber auch in der westlichen Welt kommt ihr Ansatz, sich von unnützen Dingen zu trennen, gut an. Ihre Bücher liegen in den Buchhandlungen in den Abteilungen „Selbsthilfe“ oder „Philosophie“, denn irgendwo dazwischen liegt auch ihr Ansatz.

Manchen mag das auch zu weit gehen. In ihrem ersten Buch schreibt sie, dass sie abends ihre Handtasche ausleere und auf die Kommode stelle. Dann sagt sie: „Ruh dich gut aus!“ Sie sagt das wirklich zur Tasche und man darf es seltsam finden, zu Gegenständen zu sprechen. Andererseits gehen Menschen mit vielen Dingen im Alltag zu sorglos um – und erst dadurch entsteht Unordnung. Zudem geben Psychologen Kondo recht, wenn sie sagt, dass äußere Unordnung sich auch auf das Innenleben auswirken kann.

Ihre beiden Töchter ahmen schon jetzt ihren Aufräumstil nach

Schüchtern sei sie gewesen, sagt sie von sich und man kann sich vorstellen, dass ein Mädchen, das immer nur aufräumen wollte, in einer erfolgsorientierten Gesellschaft wie Japan nicht viele Freunde hatte. Heute kommt sie in die Wohnungen fremder Menschen und bringt sie leicht zum Weinen mit ihrer offenen und fast kindlichen Freude angesichts eines Haufens von Erinnerungen, die sie in „wertvoll“ und „Abfall“ sortieren lässt.

Für die Netflix-Show ist sie von Japan nach Kalifornien gezogen – zusammen mit ihrem Mann Takumi Kawahara und den Töchtern Satsuki (3) und Miko (2). Das war auch die Idee des Ehemannes, denn er produziert ihre Show und managt ihr Aufräumimperium. Und dem Magazin „Good Housekeeping“ sagte sie neulich, dass ihre beiden Töchter sie schon nachahmen: Sie falten die T-Shirts nach der Kondo-Methode. „Sie macht es noch nicht perfekt, deshalb falte ich sie dann noch einmal“, sagt Marie Kondo, „aber erst, wenn Satsuki nicht hinschaut.“