Peking. Eine neue Verbindung zwischen Macau und Hongkong bricht Rekorde. Die 55 Kilometer lange Brücke ist Teil eines gigantischen Projektes.
Hohe Berge, noch höhere Wolkenkratzer, das Wasser des Perlflussdeltas und alles dicht beieinander – die Landeanflüge auf die Flughäfen von Hongkong und Macau galten schon immer als spektakulär.
Nun ist die Mega-Metropolregion mit 60 Millionen Einwohnern um eine weitere Sehenswürdigkeit reicher: In der Form eines Ypsilons überspannt eine neue, gigantische Stahlbrücke das Flussdelta am Südchinesischen Meer und verbindet die Finanzmetropole Hongkong mit der Glücksspielstadt Macau und der Industrieregion Zhuhai auf dem chinesischen Festland.
Die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke ist nach knapp zehn Jahren Bauzeit am Dienstag offiziell eröffnet worden. Sie ist ein Jahrhundertbauwerk. Doch kaum jemand darf sie nutzen. Die gesamte Konstruktion ist ungefähr so lang wie der Gotthard-Basistunnel, nämlich 55 Kilometer.
Davon führen 35 Kilometer als Brücke über Wasser. Sie ist damit mehr als 20-mal so lang wie die Golden Gate Bridge in San Francisco.
60-fache Stahlmenge des Eiffelturms
Für den Bau waren nach Angaben der Betreiber 400.000 Tonnen Stahl notwendig. Das entspricht der 60-fachen Stahlmenge des Eiffelturms in Paris. „Über 100 Jahre lang wird sie stehen“, jubeln die Betreiber. In jede Richtung gibt es drei Fahrspuren.
Bei einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern soll sich die Fahrzeit zwischen Hongkong und Macau von drei Stunden mit der Fähre auf weniger als 30 Minuten mit dem Auto reduzieren.
Hongkong ist seit 1997 zwar keine britische Kronkolonie mehr und Macau seit 1999 auch nicht mehr in portugiesischer Hand. Sie gehören beide zur Volksrepublik China, haben jedoch weiterhin den Status von Sonderverwaltungszonen mit eigenen Gesetzen und einer eigenständigen Verwaltung.
Zwischen Hongkong, Macau und dem chinesischen Festland gibt es noch immer scharfe Grenzkontrollen. Die Konstrukteure haben deshalb künstliche Inseln für Grenzübergangsanlagen aufschütten lassen.
Millionenstädte sollen zusammenwachsen
Die Brücke ist Bestandteil eines einzigartigen Urbanisierungsprojektes: Im Perlflussdelta entsteht die größte Metropole der Erde. Hongkong, Macau und neun andere Millionenstädte sollen weitgehend zusammenwachsen.
Stadtplaner schauen mit Spannung auf das Experiment. Denn entweder wird das Perlflussdelta zum Vorbild für andere Ballungsräume – oder zum Albtraum für die Einwohner.
Das Bauwerk gilt als ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Es soll Windgeschwindigkeiten von 200 Kilometern pro Stunde standhalten, sogar Erdbeben der Stärke acht auf der Richterskala können ihm nichts anhaben, versprechen die Betreiber.
Die Region gilt als „Werkbank der Welt“. Auf einer Fläche so groß wie Niedersachsen produzieren Hunderttausende Firmen für den Weltmarkt.
Entsprechend dicht ist der Schiffsverkehr. Mit Hongkong, Shenzhen und Guangzhou befinden sich dort gleich drei der weltweit größten Häfen. Für die ganz großen Schiffe sind insgesamt drei Querungsmöglichkeiten vorgesehen. Der Hauptschifffahrtskanal wird mit einem 6,7 Kilometer langen Tunnel unterquert – dem längsten Unterwassertunnel der Welt.
Die Eröffnung findet ein Jahr später als ursprünglich vorgesehen statt. Mit geschätzten Kosten von mehr als 14 Milliarden Euro ist das Projekt deutlich teurer als geplant – eigentlich sollte das Bauwerk nur etwa halb so viel kosten. Die Bauherren sind dennoch zufrieden. „Kleiner dimensionierte Projekte hätten sehr viel mehr Geld verschlungen“, rechtfertigt sich der Leiter des Projekts auf Hongkonger Seite, Daniel Chung.
Vorerst kein Massenansturm auf der Brücke
Das Bauwerk hat allerdings ein Problem: In Hongkong und Macau gilt Linksverkehr, auf dem chinesischen Festland Rechtsverkehr. Die meisten Fahrer aus Hongkong oder Macau dürfen nicht ohne Weiteres auf den Straßen des chinesischen Festlandes fahren und umgekehrt. Zwar wohnen im Perlflussdelta etwa so viele wie in Italien oder Großbritannien.
Aber davon besitzen momentan gerade einmal rund 30.000 Pkw-Besitzer eine Genehmigung, die es ihnen erlaubt, sowohl in Hongkong wie auch auf dem rechtsspurigen Festland zu fahren. Zu einem Massenansturm auf die Brücke wird es vorerst also nicht kommen.