Berlin. Reich werden wollen viele. Doch wer schafft es wirklich? Und was unterscheidet diese Menschen von anderen? Eine Antwort gibt „Die Psychologie der Superreichen“. Rainer Zitelmann, selbst Unternehmer, wollte wissen, wie sehr, sehr reiche Menschen ticken. Für eine Doktorarbeit an der Uni Potsdam, nun auch als Buch erhältlich, interviewte Zitelmann 45 Menschen, die sich ihr Vermögen – mindestens zehn Millionen – selbst erarbeitet haben. Fazit: Viele Reiche sind sich charakterlich sehr ähnlich.
„Das, was diese Leute vereint, ist der Drang nach Freiheit, nach Unabhängigkeit. Sie wollen nicht arbeiten, weil sie es müssen, und sie wollen auch nicht für jemand anderen arbeiten“, so Zitelmann. Geld sei mehr Mittel zum Zweck als primärer Antrieb.
Das Bedürfnis, finanziell auf eigenen Füßen stehen zu wollen, zeigt sich schon früh. Dazu komme Ehrgeiz: Es sei auffällig gewesen, dass die Hälfte der Befragten in ihrer Jugend Leistungssport betrieben haben. Andere hätten sehr gut Instrumente gespielt. „Und sehr viele“, sagt er, „waren schon in der Schule unternehmerisch tätig, haben irgendetwas verkauft und da oft schon viel Geld verdient.“ Zitelmanns Studie ist die erste in Deutschland, die sich so ausführlich mit der Persönlichkeit von Selfmade-Millionären auseinandersetzt. Das hat auch damit zu tun, dass man sie nur schwer zu fassen bekommt. Viele der Superreichen in Deutschland tauchen selten in der Öffentlichkeit auf – auch aus Angst, Opfer eines Verbrechens oder schlechten Images zu werden.
Zitelmann spricht von Vorverurteilung. „Eigentlich soll man gegenüber Minderheiten keine Vorurteile pflegen“, sagt er. „Nur hier ist offensichtlich eine Minderheit – und die Reichen sind ja eine Minderheit – für die das nicht gilt. Da gibt es sehr viele negative Stereotype. Die Leute glauben, wer erfolgreich ist, muss sich sein Geld irgendwie ergaunert haben.“
Der Glaube an die eigene Wirkung
Entsprechend sind Zitelmanns Interviewpartner alle anonym. Einer, der sich outete, ist Theo Müller: Der Molkereimagnat hat aus dem Familienbetrieb seiner Eltern mit vier Mitarbeitern eine der größten Molkereien in Europa gemacht. Keine gewöhnliche Karriere für einen, der mit 16 von der Schule ging, um eine Lehre im Betrieb seiner Familie zu machen. Doch Müller ist nicht untypisch für die Gruppe der Superreichen: „Formale Bildung spielt keine sehr große Rolle“, sagt Zitelmann. Zwar hätten viele der Befragten Hochschulabschlüsse. „Aber das, was sie unternehmerisch gelernt haben, haben sie nicht in der Schule gelernt, sondern durch praktische Erfahrung.“
Erfahrung, die sie gesammelt haben, indem sie sich auf ihr Bauchgefühl verlassen haben – oft erfolgreich, oft aber auch nicht. Auch wenn sie heute viel Geld haben, haben Zitelmanns Interviewpartner auch Rückschläge erlebt, die viele angehende Unternehmer kennen. Wie sie damit umgehen, sagt Zitelmann, sei entscheidend: „Die Interviewpartner haben für Fehler konsequent selbst die Verantwortung übernommen und nicht jemand anderem die Schuld gegeben. Das hat ihnen auch das Selbstvertrauen gegeben, sich wieder aufzurappeln – dank des Glaubens an die eigene Wirkung.
Reichtum hat bei vielen mit Verantwortung zu tun. Schrauben-Milliardär Reinhold Würth aus Baden-Württemberg erklärte etwa gegenüber dieser Zeitung: „Ich kümmere mich wenig ums Geld. Von den jährlichen Gewinnen seines Firmenimperiums im dreistelligen Millionenbereich habe er persönlich nicht viel, sagte der inzwischen 82-Jährige. „Auch brauche ich nichts davon. Das Kapital dient der Sicherheit des Unternehmens.“
Was ihn ausmacht, sei vor allem Bescheidenheit. „Man darf nie den Boden unter den Füßen verlieren.“ Zu bleiben, wer man am Anfang war, sei das Allerwichtigste für ihn. „Ich habe zu viele Karrieren gesehen, die unschön verliefen, je mehr Macht ein Firmenchef bekam. Solche Leute verändern oft ihren Charakter, sie werden arrogant, herablassend“, so Würth, der den Betrieb 1954 vom Vater übernommen hatte und mit einen Eigenkapital von 10.000 Mark startete.
Noch etwas verbindet viele Selfmade-Millionäre – das Elternhaus. Mehr als die Hälfte der Interviewpartner von Reichenforscher Zitelmann hatten Eltern, die selbstständig waren.