Kiew. Salvador Sobral aus Portugal hat mit „Amor pelos dois“ den Eurovision Song Contest 2017 gewonnen. Deutschland wurde nur Vorletzter.
Am Ende bleibt sie hinter ihrem selbst gesteckten Ziel zurück: Die deutsche Kandidatin Levina erreichte mit „Perfect Life“ nicht die Top Ten, sie wurde mit sechs Punkten Vorletzte. Der Applaus im Saal war eher verhalten, einzig beim Refrain gingen die Arena-Zuschauer etwas mehr mit.
Allerdings landete sie auch nicht wie Manga-Mädchen Jamie Lee („Ghost“) im Jahr zuvor und Hamburgerin Ann Sophie („Black Smoke“) 2015 auf dem letzten Platz. Immerhin. Und doch war die Enttäuschung im deutschen Lager spürbar. Schon zuvor waren sich Experten einig, dass die perfekte und souveräne Performance das wenig einprägsame Lied nicht überstrahlen würde.
Der Gewinner: Salvador Sobral aus Portugal
Der Gewinner in diesem Jahr war der Underdog unter den Performern. Verhalten und schüchtern: Portugals Salvador Sobral sang seine ruhige Ballade „Amar pelos dois“. Im März hatten Berichte in portugiesischen Boulevardmedien für Aufsehen in der ESC-Fangemeinschaft gesorgt: Laut diesen soll Sobral an einer Herzerkrankung leiden.

Sein Team hatte diese Nachrichten allerdings nicht bestätigt und lediglich verlauten lassen, dass er keine gesundheitlichen Probleme habe, die einer Teilnahme im Weg stünden. Der verletzlich wirkende Portugiese hatte am Vorabend nach der ersten Generalprobe den Italiener Francesco Gabbani in den Wettbüros von Rang eins gestoßen.
Der 27-Jährige, der aus einer Adelsfamilie stammt, verzichtete in seiner Darbietung auf Pyrotechnik und Effekte. Er sang melancholisch und konzentriert, mit geschlossenen Augen. Dabei bewegte er den Kopf in einer Weise, die befremdlich und sehr in sich versunken wirkte. Mit 758 Punkten holte er den ersten Platz.
So lief das ESC-Finale 2017 in Kiew
Auch Bulgarien überrascht

Ebenfalls für eine Überraschung gut: die Bulgaren, deren Kandidat Kristian Kostov gerade mal 17 Jahre alt war, und damit der jüngste Teilnehmer. Seine Performance von „Beautiful Mess”, begeisterte das Publikum, er wurde Zweiter. In Russland, wo er geboren ist, und Bulgarien, wo er lebt, gilt er als Mädchenschwarm und Teenie-Held. In der bulgarischen Ausgabe von „The X-Factor” hat er den zweiten Platz geholt und viele schmachtende Fans für sich gewonnen. Die Stärke von Kostov, der singt, seitdem er sechs Jahre alt ist: gefühlige Pop-Balladen.
Als eine der wenigen singen die Vertreter Weißrusslands Naviband ihren Titel „Historyja majho žyccia“ in ihrer Muttersprache, was eingefleischte ESC-Fans zu schätzen wussten. Dennoch reichte es letztlich nur für den 17. Platz
17-jährige Belgierin wird Vierte

Ähnlich dramatisch war es auch bei der Belgierin: Die Publikumsabstimmung katapultierte sie vom hinteren Mittelfeld ganz weit nach vorne. Mit ihrem melancholischen Lied „City Lights” kam Blanche (bürgerlicher Name: Ellie Delvaux), ebenfalls erst 17, für Belgien auf Platz vier. Manch einer hatte sie im Vorfeld als Geheimtipp gehandelt, ESC-Experte Jan Feddersen sagte gar voraus, sie werden den Wettbewerb für sich entscheiden, weil sich ihre traurig-zarte Nummer von den sonst eher wilden und fröhlichen Beiträgen abhebt. Auch die Bühnenshow bleibt zurückhaltend.
Für Ungarn trat Joci Pápai an, der als Roma einer ethnischen Minderheit angehört, die im Victor-Orbán-regierten Ungarn vielerorts bis heute nicht gut gelitten ist. Insofern war auch seine Teilnahme ein politisches Signal. Für den Song „Origo“, bei dem er mit einer Tänzerin in weißem Folklore-Kleid auf der Bühne steht, gab es den achten Platz. Auch er stieg überraschend nach den Televotes sehr weit auf.
Rumänien wird mit Jodel-Rap-Nummer Siebter
Ähnlich war es bei den Rumänen: Sie bekamen vom Publikum deutlich mehr Punkte als von der Jury. Die Rumänen Ilinca feat. Alex Florea hatten mit ihrer Jodel-Rap-Nummer „Yodel It“ vor allem Fans der weniger traditionellen ESC-Beiträge schon bei den Proben für sich eingenommen. Letztendlich landeten sie auf Platz sieben.
Schwedens Robin Bengtsson, vom Typ her irgendetwas zwischen Anzugmodel und Filmheld, landete mit seiner Pop-Dance-Nummer „I can’t go on” auf Platz fünf – eine der Überraschungen des Abends, war er doch bei den Wettbüros relativ weit hinten.
Australien schickte mit dem 17-jährigen Isaiah das erste Mal einen Aborigine an den Start, das Land ist überhaupt erst zum dritten Mal beim ESC vertreten. „Love don’t come easy” heißt das Lied, mit dem er antrat. Und auch seine Musikkarriere startete durchaus nicht ohne Hindernisse: Im Jahr 2015 scheitert er in der australischen Ausgabe von „The X Factor“ an seinem Lampenfieber, vergisst seinen Text und sein Traum vom Leben als Musiker zerplatzt erst einmal. Umso mehr scheint er seinen Auftritt zu genießen, und das wurde mit Platz neun honoriert.
Ursprünglicher Favorit landet auf Platz sechs
Auf Platz elf landeten die Niederlande mit ihrem Trio aus drei Schwestern (darunter ein Zwillingspaar) O’G3NE mit ihrem Titel „Lights And Shadows. Norwegens Kandidat Jowst bekam für sein „Grab the Moment“ den zehnten Platz.

Italiens Francesco Gabbani, der ursprüngliche Favorit, kam mit seinem Titel „Occidentali’s Karma“ (Deutsch: Karma der Bewohner der westlichen Welt) auf Platz sechs. Der italienische Dolce-Vita-Mann strahlte auf der Bühne, als er seine Gute-Laune-Nummer performte, tanzte mit einem Mann im Gorillakostüm (was eine kulturelle Anspielung auf das Buch des Zoologen Desmond Harris „Der nackte Affe” im Liedtext optisch aufgreifen soll) und sorgte in der Arena für Party-Stimmung. Dabei geht es in dem Lied um existentielle Themen, Achtsamkeit, den Selfie-Wahn in der heutigen Gesellschaft. Musikalisch ist das Lied allerdings federleichter Party-Pop.
Viele Überraschungen, ein klarer Sieger
Der Beitrag aus Moldau „Hey Mamma” der Band SunStrokeProject mischte Saxophonklänge mit Technobeats und brachte das Publikum in der Arena zum Tanzen. Dafür gab es den dritten Platz.
Insgesamt war der ESC in diesem Jahr spannend: Favorit Francesco Gabbani landete weiter hinten als gedacht, Belgien und die Bulgaren stiegen nach dem Publikumsvoting dramatisch auf, einzig beim Sieger lagen die Wettbüros seit Freitag richtig. Es ist der erste ESC in 53 Jahren, den Portugal gewinnt. Nach seinem Sieg sagte Salvador Sobral: „Musik, das ist kein Feuerwerk. Musik, das sind Gefühle.” Es geht also auch ohne Pyro.