Mordfall

DNA-Spur von Böhnhardt heizt Spekulationen im Fall Peggy an

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Ein Gedenkstein mit dem Porträt von Peggy auf dem Friedhof in Nordhalben (Bayern). 2001 war sie verschwunden, 2016 wurde ihr Skelett gefunden.

Ein Gedenkstein mit dem Porträt von Peggy auf dem Friedhof in Nordhalben (Bayern). 2001 war sie verschwunden, 2016 wurde ihr Skelett gefunden.

Foto: David Ebener / dpa

Nach dem Fund von Böhnhardts DNA wird geprüft, ob Peggys Tod in Verbindung zum NSU steht. Das könnte Folgen für den NSU-Prozess haben.

Berlin.  Nach dem Fund einer DNA-Spur des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt prüfen die Ermittler eine Verbindung zum Kriminalfall Peggy. Der genetische Fingerabdruck Böhnhardts war am Fundort des Skeletts von Peggy sichergestellt worden, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstagabend mitteilten. Noch ist offen, ob es sich dabei um einen Zufallsfund handelt oder ob es einen direkten Zusammenhang zu dem 2001 verschollenen Mädchen gibt. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung berichtet.

Die damals neunjährige Peggy war am 7. Mai 2001 im nordbayerischen Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Am 2. Juli dieses Jahres fand ein Pilzsammler Teile ihres Skeletts in einem Waldstück im Saale-Orla-Kreis – nur etwa 15 Kilometer vom Heimatort des Mädchens entfernt.

Zusammenhang zwischen DNA-Spur und Tod Peggy wird ermittelt

Wie die Behörden nun mitteilten, konnten am Fundort der Knochen zahlreiche Spurenträger sichergestellt werden. Bei der Untersuchung sei DNA identifiziert worden, „die Uwe Böhnhardt zuzuordnen ist“. Allerdings: „In welchem Zusammenhang diese DNA-Spur gesetzt wurde, wo sie entstanden ist und ob sie in Verbindung mit dem Tod von Peggy K. steht, bedarf weiterer umfassender Ermittlungen in alle Richtungen, die derzeit geführt werden und ganz am Anfang stehen.“

Böhnhardts DNA-Spuren wurden an einem Gegenstand gefunden, wie Oberstaatsanwalt Harald Potzel am Abend in Bayreuth mitteilte. Details nannte er nicht. Nach „Spiegel“-Informationen handelt es sich dabei um ein Stück Stoffdecke. Der Bayerische Rundfunk berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, dass es sich um ein Stück Stoff von der Größe eines Fingernagels handele. Demnach war am Nachmittag nach einem Datenbanken-Abgleich durch die Rechtsmedizin ein entsprechender Treffer gemeldet worden. Der DNA-Treffer sei erst in dieser Woche erfolgt, sagte Polizeisprecher Jürgen Stadter am Freitag in Bayreuth. „Die Erkenntnisse haben wir noch nicht lange.“

Böhnhardt gehörte zum rechtsextremen NSU

Böhnhardt war 2011 im Alter von 34 Jahren gestorben – mutmaßlich durch Schüsse seines Mittäters Uwe Mundlos, bevor dieser sich selbst tötete. Die beiden Rechtsextremisten und Beate Zschäpe sollen laut Bundesanwaltschaft jahrelang unerkannt gemordet haben. In München läuft seit mehr als drei Jahren der Prozess gegen Zschäpe – als einzige Überlebende des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU).

Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess, forderte Zschäpe auf, sich zu den neuen Erkenntnissen im Fall Peggy zu äußern. „Ich würde mir wünschen, dass Frau Zschäpe auch in diesem Fall an der Aufklärung mitwirkt und auspackt, was sie dazu weiß“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Irene Mihalic, Obfrau der Grünen-Bundestagsfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, sagte der Zeitung: „Das ist eine neue Dimension. Wir müssen dem nachgehen.“

DNA von Uwe Böhnhardt am Fundort von Peggy K. sichergestellt
DNA von Uwe Böhnhardt am Fundort von Peggy K. sichergestellt

Daimagüler kündigte auch einen neuen Beweisantrag im NSU-Prozess an. Dabei sollten Einzelheiten über Kinderporno-Dateien auf einem Computer des NSU untersucht werden, sagte sie. Im Schutt der abgebrannten Fluchtwohnung des NSU-Trios in Zwickau war ein Datenträger mit Kinderpornomaterial gefunden worden. Man müsse herausfinden, „wer Kenntnis hatte und wer es draufgeladen hat – Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe oder alle drei“. Im Wohnmobil des Trios hatten die Ermittler damals auch Kinderspielzeug gefunden, auf das sie sich keinen Reim machen konnten.

Hinweise auf Kindesmissbrauch in NSU-Akten

Nie war im Fall Peggy bisher eine Verbindung zu der Mordserie der NSU-Terrorgruppe gezogen worden. 2004 war der geistig beeinträchtigte Ulvi K. für den Mord verurteilt worden. Er hatte die Tat zunächst gestanden, das Geständnis aber später widerrufen. 2013 ordnete das Landgericht Bayreuth an, das Verfahren wiederaufzunehmen. 2014 wurde die Verurteilung aufgehoben.

Der Münchner Rechtsanwalt Yavuz Narin sagte der Deutschen Presse-Agentur, im Umfeld des NSU seien „mehrere Personen mit Sexualstraftaten an Kindern in Erscheinung getreten“. So habe einer der mutmaßlichen NSU-Waffenbeschaffer Böhnhardt des Mordes an einem neun Jahre alten Jungen in Jena bezichtigt.

In den Prozessakten fänden sich weitere Namen von Männern, die zum Freundeskreis Böhnhardts zählten und zu denen sich Hinweise auf Kindesmissbrauch in den Akten fänden. Narin verwies außerdem auf den früheren Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“, Tino Brandt, der wegen Missbrauchs von Jungen im Gefängnis sitzt. Narin vertritt im NSU-Prozess die Familie eines in München ermordeten Geschäftsmannes.

Mutmaßlich zehn Morde zwischen 2000 und 2007

Zwischen 2000 und 2007 erschoss die Gruppe nach Erkenntnissen der Ermittler zehn Menschen, neun davon ausländischer Herkunft. Mit Sprengstoffanschlägen sollen sie Dutzende verletzt haben. Spätestens von 2001 an nannten sie sich „Nationalsozialistischer Untergrund“.

Nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos stellte sich Zschäpe der Polizei. Seit Mai 2013 wird in München gegen sie und mutmaßliche Unterstützer verhandelt. (dpa/cho)