Reichenhall-Prozess

Staatsanwaltschaft hält Angeklagte für schuldig

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Im Prozess um den Einsturz der Eislaufhalle von Bad Reichenhall im Januar 2006, bei dem 15 Menschen ums Leben gekommen waren, hält die Staatsanwaltschaft alle drei Angeklagten der fahrlässigen Tötung für schuldig. Sie fordert Haftstrafen auf Bewährung beziehungsweise Geldbußen bis zu 54.000 Euro.

Im Prozess um den Einsturz der Eissporthalle mit 15 Toten in Bad Reichenhall hat die Staatsanwaltschaft Bewährungs- und Geldstrafen für die drei Angeklagten gefordert.“Der Einsturz war keine höhere Gewalt, sondern eine Aneinanderreihung von Pflichtverletzungen und Versäumnissen“, sagte Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger am Donnerstag vor dem Landgericht Traunstein. Er beantragte anderthalb Jahre Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung für den 68-jährigen Bauingenieur Walter G., 54.000 Euro Geldstrafe für den 64-jährigen Architekten Rolf R. sowie ein Jahr Haft auf Bewährung und 30.000 Euro Geldstrafe für den 55-jährigen Bauingenieur und Statiker Rüdiger S. wegen schwerer Fehler bei Planung, Bau und Begutachtung der Halle. Ein Urteil wird noch in diesem Monat erwartet.

Das Hallendach war am 2. Januar 2006 nach tagelangem Schneefall eingebrochen. Unter den Toten waren zwölf Kinder, zahlreiche Besucher wurden schwer verletzt. Hammerdinger sagte, Bauingenieur G. habe sich beim Bau der Halle in den siebziger Jahren als verantwortlicher Bauleiter und Statiker für die Planung des Dachs massiv verrechnet. Eine Prüfstatik, die die Fehler hätte aufdecken können und eigentlich vorgeschrieben war, habe es nie gegeben.


G. bemerkte dem Staatsanwalt zufolge auch nicht, dass die Dachträger mit wasserlöslichem Klebstoff verleimt wurden. Hätte der Angeklagte sich nicht so pflichtwidrig verhalten, würde die Halle heute mit Sicherheit noch stehen, sagte Hammerdinger. So aber führten Luftfeuchtigkeit und Regen dazu, dass sich der Leim im Laufe der Jahre auflöste und die Tragfähigkeit der ohnehin instabilen Holzkonstruktion immer weiter abnahm, bis das Dach unter einer eigentlich unbedenklichen Schneelast einbrach.


Zuvor habe es mehrfach Gelegenheiten gegeben, die Gefahr zu erkennen, so Hammerdinger: Bei Nachbesserungsarbeiten hätte der verantwortliche Architekt R. das Fehlen der Prüfstatik bemerken müssen. Er habe gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen; ebenso wie der Bauingenieur und Statiker S., der drei Jahre vor der Katastrophe den Zustand des Hallendachs in einem Gutachten für die Stadt als „gut“ bezeichnete.

"Nicht alle Verantwortlichen auf der Anklagebank"


Hammerdinger wies Vorwürfe zurück, in dem seit Januar laufenden Prozess seien die Falschen angeklagt worden. Er räumte aber ein: „Es sitzen nicht alle Verantwortlichen auf der Anklagebank.“ Die Stadt Bad Reichenhall hätte von der fehlenden Prüfstatik wissen müssen. Auch sei bekannt gewesen, dass es in die Halle jahrzehntelang massiv eingeregnet habe. Andere Mitschuldige seien aber bereits verstorben oder schwer krank.

Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten, einen ehemaligen leitenden Angestellten des Stadtbauamts, war zu Prozessbeginn wegen der Erkrankung des 72-Jährigen abgetrennt worden und liegt seitdem auf Eis. Für eine Anklage des zum Unglückszeitpunkt amtierenden Bürgermeisters und der Verantwortlichen im Bauamt, wie die Verteidigung und mehrere Hinterbliebene sie mehrfach gefordert hatten, gibt es nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht genügend Anhaltspunkte.

( rtr/dpa/nic )