Natürlich ist es ein Leichtes, sie ein wenig runterzumachen. Schöne Frauen haben es ja traditionell schwerer, ernst genommen zu werden – zumal, wenn sie blond sind und gern Rosa tragen. Und dann noch dieser Name: Barbie.
Mehr Aussage lässt sich kaum in sechs Buchstaben packen. Wenn sie lächelnd am Herd steht und mit größter Selbstverständlichkeit Hemden bügelt, um anschließend mit ihrem Cabrio zum Shoppen zu fahren, ja, dann liegt die Vermutung nahe, dass Barbie nicht viel mehr ist als eine etwas stumpfsinnige Blondine. Eine, die 50er-Jahre-Hausfrauenflair in Mädchenzimmer auf der ganzen Welt bringt. Rückständig, leicht zufriedenzustellen. So ist Barbie zum Lieblingsfeindbild der Feministinnen geworden: Mädchen! So wie Barbie sollte keine Frau sein! Am schwersten wiegt dabei, dass an Barbie, die morgen 50 Jahre alt wird, die Zeit spurlos vorbeigegangen zu sein scheint. Und Neider gratulieren nicht.
Das Ganze ist ein Missverständnis. Barbie ist alles andere als eine Anti-Emanze, sondern die Wegbereiterin eines neuen, vom Manne losgelösten weiblichen Selbstverständnisses. In Zeiten, als Frauen für gewöhnlich an der Seite ihres Gatten auf dem Beifahrersitz Platz nahmen, fuhr Barbie bereits ohne Begleitung mit ihrem Wohnmobil. Oder schaffte sich ein schockfarbenes Cabrio an und lebte in einer trauscheinlosen Beziehung mit einem Mann, der in seiner Profillosigkeit nicht mehr als ein Armcandy sein konnte.
Es gibt Menschen, die Barbie für ein Abziehbild der typisch amerikanischen Traumfrau halten. Blond, zu einer anatomischen Groteske operiert und ergo mit einer Figur ausgestattet, die – das ist wissenschaftlich untersucht worden – den aufrechten Gang ohne Hilfsmittel im Grunde unmöglich macht. Weniger bekannt ist, dass es sich bei ihr im Grunde um ein deutsches Mädchen handelt.
Ihre Lebensgeschichte
1955, aufbauend auf einer Comicserie der „Bild“-Zeitung, kam die Plastikpuppe „Lilli“ auf den Markt, von der der erstaunlich fortschrittliche Spruch verbürgt ist: „Immer dieser Abwasch; ich glaube, ich muss heiraten.“
Ruth Handler, Mitgründerin des Spielwarenimperiums Mattel, stieß auf einer Europareise auf das Plastikpüppchen und nahm „Lilli“ mit in die USA als Geschenk für ihre Tochter. Der Rest ist Geschichte: Mattel kaufte die Rechte und brachte 1959 eine verbesserte „Lilli“ auf den Markt: Barbara Millicent Roberts, kurz Barbie. Was die Emanzipationsbewegung betraf, war Barbies erster Auftritt freilich wenig vielversprechend.
In nicht mehr als einen schwarz-weiß gestreiften, trägerlosen Badeanzug gekleidet konnte man sie für drei Dollar kaufen, das Haar zu einem mädchenhaften Pferdeschwanz hochgebunden, vorn war ein Pony herausgeschnitten. Doch schon bald wandelte sich Barbie zum Spiegel popkultureller und gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Sie reflektierte erst schüchtern, dann immer selbstbewusster, was an Strömungen aufzuschnappen war. Tatsächlich ist sie das Gegenteil des dummen Blondchens: strebsam, darauf achtend, eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Selbstverständlich hat sie dabei darauf geachtet, gut auszusehen. Ein Gefühl für Stil ist das Markenzeichen der selbstbestimmten Frau. So haben allein 70 berühmte Designer an ihre Outfits Hand angelegt, immer auf der Höhe der Zeit. Flower-Power? Da trug Barbie lang, auch das Haar.
Barbie setzte Trends
In den 80er-Jahren, als MTV gegründet wurde, zeigte Barbie Schulterpolster und „Big Hair“. Und es muss kaum erwähnt werden, dass sie 1986 ihre eigene Girlband gründete.
„Barbie and the Rockers“ rollten die Charts auf, fast ein Jahrzehnt vor den Spice Girls. 1989, in einer Periode, als die Weltpolitik sich grundlegend veränderte, wurde Barbie gar Unicef-Botschafterin und schrieb sich, ein Jahr bevor der Golfkrieg begann, bei der US-Army ein. Auch die 90er-Jahre waren bewegt. 1992 bewarb sie sich zum ersten Mal für das Oval Office, nur die Zeit war noch nicht reif für eine weibliche Präsidentin. Enttäuscht, aber nicht entmutigt wandte sich Barbie dem Profisport zu.
Zehn Jahre, bevor Danica Patrick als erste Frau der realen Welt ein IndyCar-Rennen der Nascar-Serie gewann, saß Barbie hinter dem Steuer ihres eigenen Wagens. In einem hautengen Overall, denn es war die Ära der Supermodels, und Schönheit bedeutete alles.
Das klingt verlockend oberflächlich. Doch Barbie hat sich nie auf ihr Aussehen verlassen. 108 Karrieren lebte sie in 50 Jahren aus, schuftete sich von der Krankenschwester zur Ärztin hoch, machte den Pilotenschein, wurde Astronautin und gewann olympische Goldmedaillen in den Disziplinen Sportgymnastik, Eiskunstlauf und Abfahrtsski. Sie ist die denkbar beste Jubilarin am heutigen Weltfrauentag.
Doch bei allem, was Barbie für die Mädchen dieser Welt getan hat: Undank ist der Lohn. Während des letzten Weihnachtsgeschäftes ging der Verkauf um ein Fünftel zurück. Dennoch hat die Krise der Frau, deren unerschütterliches Lächeln Kern des 1,9-Milliarden-Dollar-Geschäftes von Mattel ist, ihren Optimismus nicht austreiben können. Sie taugt nicht zum „Quitter“, zu jemandem, der schnell hinwirft. Um es in ihren eigenen Worten zu formulieren: „Mathematik ist sehr schwierig. Aber nicht unmöglich!“
In einer Ära, in der Frauen es kaum wagen durften, in wilder Ehe mit einem Mann zu leben, schaffte sich Barbie einen Mann an. Der strafte alle Versuche, Frauen im straffen Geschirr des Ehegelübdes zu halten, Lügen. Ken, muskulös und schön, diente ganz offensichtlich vor allem Barbies Triebbefriedigung. Gleichzeitig war auch Ken ein fortschrittlicher Mann, einer, der zurückstecken konnte, um der Begabteren in der Beziehung den Vortritt zu lassen. Die Verbindung der beiden schien für die Ewigkeit gemacht.
Doch am 14. Februar 2004, ausgerechnet am Valentinstag, war nach 43 Jahren Schluss. Es ist unschwer zu erraten, wer von beiden die Beziehung beendet haben muss. Inzwischen soll sich Barbie mit einem Mann namens Blaine treffen. Die Vermutung liegt nahe, dass er jünger ist. ein.