„Viel Glück im neuen Jahr“ schreibt so mancher auf Karten zum Jahreswechsel an seine Freunde und Bekannte. Glück, das einfach so zu uns kommt? Nein, sagt Sandra Gutekunst. „Glück kann man lernen“ ist ihre Devise. Diese Erkenntnis ist Grundlage ihres Berufes als Glückstrainerin, den sie an Schulen und in Kindercamps ausübt. Insbesondere jungen Menschen will die 38-Jährige aus Waldenbuch (Kreis Böblingen) Instrumente an die Hand geben, die sie für ein glückliches und erfülltes Leben brauchen.
Angefangen hat alles mit einer schmerzlichen Trennung von ihrem Mann vor zwei Jahren. „Ich war ganz unten – Haus weg, Mann weg, Lebensumfeld weg“, erzählt die blonde Frau. Was blieb, war die achtjährige Tochter Laura. Da kam ihr die Idee, dem Mädchen Dinge mit auf den Weg zu geben, die man in der Schule nicht lernt. Von da an stand Glücksunterricht ein Mal pro Woche auf dem häuslichen Stundenplan. „Wir haben tiefe schöne Momente auf der Herzensebene erlebt, die im normalen Alltag keinen Platz haben“, erzählt Gutekunst.
Die Mutter bereitete sich sorgfältig auf das intensive Zusammensein mit der Tochter vor. Es entstanden Übungseinheiten, bei denen das Kind die Familienkonstellation mit Stofftieren nachstellt, gemeinsam Fantasie-Reisen unternommen und Bilder zu geistigen und materiellen Werten im Leben gemalt werden. Der Unterricht half dem Kind, die Folgen der Trennung der Eltern zu verarbeiten. „Der Unterricht hat Laura gezeigt, Leid gehört zum Leben, kann einen aber weiter bringen, auch wenn es manchmal schmerzlich ist.“
Überhaupt: Glücksgefühle können nach Überzeugung von Gutekunst erst erlebt werden, wenn man auch das Gegenteil davon erfahren hat. Deshalb sei es für Kinder in Deutschland so schwierig, dankbar zu sein, etwa für genügend Essen, beheizte Wohnungen, Urlaubsreisen. „Weil die Kinder wenige Entbehrungen erlebt haben, fehlt ihnen die Fähigkeit, für das, was sie haben, dankbar zu sein.“ Im Glückunterricht weist die weit gereiste Fotografin immer wieder darauf hin, unter welch miserablen Bedingungen Kinder in anderen Weltgegenden leben müssen.
„Der Manuskript-Stapel für den Unterricht mit meiner Tochter wuchs und wuchs“, erinnert sich die Glückslehrerin. Um auch anderen Eltern die Chance zu geben, aus ihrem Kind ein Glückskind zu machen, wie es ihre Tochter Laura heute ist, stellte sie ihr Übungen in einem Buch zusammen; Titel: „Glücksfinderkinder“. In leicht verständlicher Sprache werden Eltern in 18 Kapiteln mit Überschriften wie „Der Vulkanausbruch“, „Wir sind alle eins“ und „Wohlfühlen per Knopfdruck“ Texte zum gemeinsamen Lesen geliefert – „neuartiges Ablesekonzept“ nennt das Gutekunst.
Wichtig ist ihr die Einsicht, dass Gedanken Gefühle beeinflussen können. „Deshalb müssen wir Gedankendisziplin erlernen: Wenn ich mich anstrenge, die Welt positiver zu sehen, erzeugt das über biochemische Prozesse im Hirn auch bessere Gefühle.“ So rät sie, sich jedes Mal, wenn schmerzliche Gedanken hochkommen, auf zuvor definierte Glücksgedanken zu konzentrieren.“ Für sie selbst war das in der Trauerphase nach ihrer Scheidung ein Anwesen im Grünen, wo sie mit ihrem Kind und Tieren leben wollte.
Als die Erfüllung dieses Traums im vergangenen Sommer in greifbare Nähe rückte, war er für die Glückstrainerin auf einmal gar nicht mehr so erstrebenswert. „Ich begriff, was mich zwei Jahre lang mental am Leben gehalten hatte, war nur eine materielle Sache.“ Und die macht nicht glücklich, ist Gutekunst überzeugt.
Wohlbefinden lässt sich aber auch weniger tiefgründig erzeugen – einfach nur durch eine veränderte Wahrnehmung: „Wenn ich hier in Stuttgart durch die Stadt laufe, kann ich den dreckigen Schneematsch und den armen Bettler sehen – oder ich kann mich an der prachtvollen Weihnachtsdekoration freuen und die Musik der Straßenmusikanten genießen“, erläutert die Betreiberin einer Marketing-Agentur, die sich selbst als dauerhaft glücklich bezeichnet.
Im kommenden Jahr will Gutekunst Wochenendseminare für Menschen geben, die als „Glückfinderkinder-Botschafter“ ihre Ideen weiterverbreiten. Außerdem will sie wie bereits im ablaufenden Jahr Kinder-Zeltlager mit Glücksschule organisieren. Ihr größter Wunsch für 2011? „Ich wünsche mir, dass ich möglichst viele Menschen dazu inspirieren kann, ihre Glückspotenziale zu entfalten.“