Gebühren

GEZ – "Das klassische Prinzip des Schutzgeldes"

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Antje Hildebrandt

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Die Rundfunkgebühren gehören abgeschafft – zumindest in ihrer jetzigen Form. So lautet die Forderung von Bernd Höcker. Der Buchautor ist zur Symbolfigur im Kampf gegen die GEZ geworden. Auf Morgenpost Online spricht er über Zwangsanmeldungen und Fälle, bei denen GEZ-Fahnder Existenzen zerstörten.

Morgenpost Online: Herr Höcker, Sie gelten als Symbolfigur im Kampf gegen die Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Besitzen Sie selber ein Fernsehgerät?

Bernd Höcker: Jeder weiß, dass ich bekennender Nichtzahler bin. Ob ich selbst ein Fernsehgerät zum Empfang bereit halte, gehört zu meiner streng geschützten Intimsphäre.

Morgenpost Online: Ihr neues Buch „Blockwart-TV: Wie sehr uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk schadet“ gipfelt in einem polemischen Plädoyer für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Was stört Sie an den Programmen von ARD und ZDF?

Höcker: Nehmen Sie beispielsweise den NDR. Schon vor Jahren wurden hier Schulfunk, Telekollegs und Sprachkurse abgeschafft und durch seichte Unterhaltung ersetzt. Was spräche etwa dagegen, Sprachkurse für Migranten anzubieten oder Schulfunk als Nachhilfeunterricht? Mit Telekollegs könnte man sich beruflich weiterbilden!

Es ist aber nicht das Programm alleine. Es ist das System. Es ist ein System von rücksichtsloser Geldeintreiberei, exorbitanten Gagen und rechtlicher Freibriefe. Die Rundfunkanstalten agieren dabei auch im wirtschaftlich-administrativen Bereich, wie der Gebührenerhebung, praktisch ohne eine wirksame Kontrolle von außen. Das Programm wäre vielleicht noch reformierbar, das System aber nicht.

Morgenpost Online: Sollte man als Kritiker nicht sauber differenzieren zwischen der inhaltlichen Kritik an den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen und den Methoden der GEZ?

Höcker: Es sind beides Seiten desselben Systems. Das Programm wird auch schon deshalb immer belangloser, weil für die Anstalten gar kein Anreiz besteht, besser zu werden. Das Geld ist ihnen vom Bundesverfassungsgericht garantiert worden, egal was gesendet wird. Erst wenn das Abmelden von Rundfunkgeräten zur Massenbewegung geworden ist, werden wir auf ein demokratisches, funktionierendes und für die Menschen sinnvolles öffentlich-rechtliches Rundfunksystem hoffen können. Die Zwangsabgabe der so genannten Rundfunkgebühren und ein immer schlechter werdendes Programm sind nicht voneinander zu trennen.

Morgenpost Online: Ab April müssen öffentlich-rechtliche Sender vor der Einführung neuer Formate nachweisen, dass diese einen öffentlichen Mehrwert haben, einen so genannten public value. Erübrigt sich Ihre Kritik dann nicht?

Höcker: Public value klingt schön, bringt aber nichts. Wer soll denn bestimmen, was ein „öffentlicher Mehrwert“ ist? Politiker, Beamte, Zuschauer? Und wer soll Sendeformate verbieten, die diesen angeblichen Mehrwert nicht haben? Gegen diesen Vorstoß spricht schon die grundgesetzlich verbriefte Rundfunkfreiheit oder noch gravierender, die Freiheit der Kunst.

Morgenpost Online: Auch in anderen europäischen Ländern finanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch Gebühren. Was läuft hierzulande anders?

Höcker: Bei der Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gab es auch europaweit nur ein bis drei Kanäle, auf denen gesendet werden konnte. In Deutschland hatte man sich auch auf Drängen der Alliierten schon deshalb für das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ohne private Konkurrenz entschieden, weil die Sendekapazitäten knapp waren. Heute ist die Situation bekanntermaßen komplett anders.

Der Hinweis darauf, dass sich die Situation woanders in Europa ähnlich darstellt, ist, wie wenn man sagen würde: Mein Nachbar hat Rheuma, also muss ich auch Rheuma haben. Es ist doch viel besser gesund zu sein! Oder, um beim Beispiel zu bleiben: gesund zu werden!

Morgenpost Online: Sie bezeichnen die als Schutzgeld. Was genau werfen Sie der GEZ vor?

Höcker: Eine Gebühr ist eine Abgabe, die als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung zu entrichten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat 1971 gesagt, dass die Rundfunkgebühr aber keine Gegenleistung für eine Leistung darstellt, sondern ein Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung Rundfunk. Wie gesagt, das war 1971. Heute bliebe die Gesamtveranstaltung Rundfunk auch ohne einen Cent Rundfunkgebühren erhalten, schon deshalb, weil es die privaten Anbieter gibt.

Die Rundfunkgebühr wird von vielen Menschen nur deshalb entrichtet, weil sie Angst haben. Angst vor den Rundfunkgebührenbeauftragten, vor der GEZ als aggressive Institution und vor den Rundfunkanstalten. Es sind mit Behördenmacht ausgestattete Institutionen, denen es vordringlich um Geld statt um Programme geht. Immerhin verbrauchen sie über 7 Milliarden Euro Rundfunkgebühren jährlich. Und Geld zu zahlen, nur weil man Angst hat, das ist das klassische Prinzip des Schutzgeldes.

Morgenpost Online: In Ihrem Buch greifen Sie Beispiele auf, die Ihnen Besucher Ihrer Seite www.gez-abschaffen.de gemailt haben. Die Seite verzeichnet jedes Jahr knapp zwei Millionen Zugriffe und ist zur Plattform für GEZ-Gegner geworden. Welches sind die häufigsten Beschwerden?

Höcker: Solche über Zwangsanmeldungen. Das heißt, wenn ein Bürger freiwillig keine Geräte anmeldet, wird er dabei zunächst durch einen Gebührenbeauftragten zwangsangemeldet – oft Jahre oder Jahrzehnte rückwirkend. Gebührenbeauftragte werden nach einem reinen Provisionsmodell bezahlt und erhalten bei Nachzahlungen 40 Prozent der nachgezahlten Rundfunkgebühren als Provision. Ich kenne einen Fall, wo ein Bauer für sein Treckerradio 20 Jahre nachzuzahlen hatte, weil ein Beauftragter das so auf die Anmeldung geschrieben hatte.

Wer einmal zwangsangemeldet ist, kommt da praktisch nicht mehr raus. Die Rundfunkanstalten tun alles, um den neuen Teilnehmer bei sich zu halten. Es wird mit allem getrickst, was möglich ist. Anwälte mögen solche Fälle überhaupt nicht, weil das Rundfunkgebührenrecht kompliziert ist. Viele Menschen stehen dann sogar noch ohne rechtlichen Beistand da und verzweifeln am Ende.

Morgenpost Online: Wie sind Sie selber dazu gekommen, GEZ-Gegnern mit solch einer Homepage ein Forum zu bieten?

Höcker: Vor gut zehn Jahren wollte ich mal die Befreiung beantragen, die mir jedoch verwehrt wurde. Damit war ich vom Virus GEZ infiziert, machte mich schlau und gründete zwei Jahre später die Domain www.gez-abschaffen.de . Der Rest ging fast von allein. Die Seite wurde von Anfang an geradezu überrannt, was mich zum Weitermachen und später zum Verfassen meiner vier Rundfunkbücher veranlasst hat.

Der Betreiber der Homepage www.fernsehkritik.tv , Holger Kreymeier, hat seinen Job als „Freier“ beim NDR-Fernsehen verloren, weil er es gewagt die, die GEZ in einem Antiwerbe-Spot zu kritisieren. Warum reagieren öffentlich-rechtliche TV-Sender auf Kritik an der GEZ so dünnhäutig?

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind es gewohnt, zu bestimmen, was guter Journalismus und niveauvolle Unterhaltung ist. Wenn jetzt ausgerechnet ein Insider daherkommt und in seinem Spot die Botschaft bringt: „Dafür zahl ich nicht!“, wird dies logischerweise als Hochverrat empfunden. Hätte er bloß gesagt: „Das guck’ ich nicht!“, wäre das mit Sicherheit nicht so schlimm, Hauptsache es wird brav weitergezahlt.

Morgenpost Online: Ist es richtig, dass GEZ-Fahnder auch schon Gebühren für defekte Geräte kassiert haben?

Höcker: Man muss auch für Fernseher zahlen, die nur noch Schnee auf dem Bildschirm haben, weil man keinen Digital-Decoder kaufen möchte. Ein Fernseher, der vollkommen zerschossen im Keller steht, wird als „zum Empfang bereit gehalten“ deklariert, weil man ihn ja reparieren könnte. Auch diese Fälle häufen sich leider, und einige Gerichte machen da sogar mit.

Morgenpost Online: Sie schreiben, dass Nachzahlungsforderungen teilweise existenzgefährdende Folgen hatten. Ein Beispiel?

Höcker: Ich kenne Fälle, wo Menschen für die Zeit ihrer Obdachlosigkeit Rundfunkgebühren nachzuzahlen hatten, nachdem sie wieder in einer neuen Wohnung dingfest gemacht werden konnten. Es gibt nämlich weder rückwirkende Befreiung noch rückwirkende Abmeldung. Ein geringes Einkommen gilt übrigens für sich allein auch nicht mehr als Befreiungsgrund. In einigen Fällen geht es um Tausende von Euros, weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Verjährung teils von der Rechtssprechung, teils durch die neueste Gesetzeslage, praktisch unmöglich geworden ist.

Morgenpost Online: Neuerdings bieten einige Verbraucherzentralen Beratungen bei Problemen mit der GEZ an. Ist das nicht ein Schritt in Richtung mehr Transparenz?

Höcker: Reine Augenwischerei. Leider. Dieser Service wird von der GEZ (mit)-finanziert, die Berater werden von GEZ-Justiziaren geschult, und außerdem haben die Verbraucherzentralen einen Sitz im Rundfunkrat. Ich habe auch schon von GEZ-freundlichen, rechtlich zumindest bedenklichen, Interviewäußerungen von Beratern gelesen. Also, ich trau der Sache nicht.

Morgenpost Online: An wen kann man sich bei Ärger mit der GEZ wenden? Gibt es eine übergeordnete Kontrollinstanz?

Höcker: Jein. Zumindest nur theoretisch. Beispiele: Petitionsausschüsse der Länderparlamente, Staats- oder Senatskanzleien der Länder oder in Hessen, Brandenburg, Berlin und Bremen die Landesdatenschutzbeauftragten. Einschreiten darf jedoch keine dieser Institutionen. Das einzige, was wirklich hilft, ist die Öffentlichmachung der Fälle durch privates Fernsehen, Print oder Internet.

Morgenpost Online: Wie müsste sich Ihrer Meinung nach ein gerechter Gebühreneinzug gestalten?

Höcker: Mit Verschlüsselung und Decoder. Jeder kann dann zahlen, für was er zahlen will. Wir sind doch mündige Bürger oder?