Brauchen wir ein Gesetz wie in Frankreich, wo Anglizismen verboten und französische Ersatzbegriffe vorgeschrieben sind? Wo man zu Ketchup “tomatine“ sagen muss? Nein. Trotzdem sollten wir eingewanderte Wörter immer dann auf den Prüfstand stellen, wenn es sinnvolle deutsche Alternativen gibt.

In Frankreich wurden Computer , Walkman und Ketchup 1994 offiziell abgeschafft. Damals trat dort ein Sprachschutzgesetz in Kraft, das sich vor allem gegen Anglizismen wendet, seither muss es in Werbe-, Medien- und Behördentexten ordinateur , balladeur und tomatine heißen. In Deutschland gibt es keine staatliche Instanz, die sich der Sprachpflege verschrieben hat, wohl aber einige Initiativen, etwa den Verein deutsche Sprache oder die Aktion Lebendiges Deutsch.


Letztere hat die Frage aufgeworfen: „Wie wäre es, wenn wir unsere Landsleute allmonatlich auf dumme Anglizismen stießen und ihnen deutsche Alternativen dazu anböten?“ Gesagt, getan: Seit gut zwei Jahren stellt die Aktion Monat für Monat drei ihrer Ansicht nach entbehrliche, aus dem Englischen eingewanderte Begriffe vor, die sie für hässlich, sperrig, aufgeblasen und/oder unverständlich hält, und ruft dazu auf, griffige, treffende deutsche Alternativen zu finden, Eindeutschungen oder neue Wortschöpfungen. Zuletzt standen All you can eat , Burn-out-Syndrom und canceln auf dem Prüfstand.


Nicht selten gehen mehrere Tausend Vorschläge pro Begriff ein, von denen in der Regel einer als Empfehlung ausgewählt wird – bei „Global Player“ zum Beispiel Weltkonzern , bei „Brainstorming“ Denkrunde , bei „Laptop“ Klapprechner , bei „Jackpot“ Glückstopf . Manchmal wird auf einen neudeutschen Vorschlag verzichtet, weil sich partout nichts Zumutbares finden lässt. Das war etwa bei „Anti-Aging“ der Fall, hier schienen weder Jungbrunnen noch Schrumpelbremse geeignet.

Das ist gesprochene Demokratie

Die Reaktion auf die Aktion ist, nun ja, nicht durchweg positiv. Von „Deutschtümelei“ und „Hexenjagd auf Anglizismen“ ist die Rede, die Initiative wird als „Aktion scheintotes Deutsch“ abgetan – und das gern von Leuten, die sich darauf berufen, dass Sprache lebendig sei und sich nicht begrenzen lasse. Eben! Ist die Empfehlung Mist, wird sie verworfen und vergessen. Ist sie gut, wird sie sich durchsetzen. Das ist – anders als in Frankreich mit seinen verordneten Ersatzwörtern – gesprochene Demokratie.


Die funktioniert im Deutschen übrigens schon seit Jahrhunderten. Kaum jemand weiß heute noch, dass die urdeutsch anmutenden Vokabeln Abstand , Anschrift und Vertrag erst im 17. Jahrhundert von dem Dichter Philipp von Zesen erfunden wurden, als Ersatz für Distanz , Adresse und Contract . Heute stört sich niemand ernsthaft daran – warum auch? Die Begriffe sind gelungen und deshalb geläufig. Gleiches gilt für Hochschule und Bittsteller , Kreationen des Sprachforschers Johann Heinrich Campe aus dem 18. Jahrhundert, die für Universität und Supplikant stehen.


Ergo: Man darf Deutsch erfinden. Aussicht auf Erfolg hat eine Eindeutschung indes nur, wenn sie besser ist als das Original.

Die Kolumne "Wortgefecht" erscheint jeden zweiten Montag auf Morgenpost Online. Mehr von Sönke Krüger lesen Sie hier .