Mit einer neuen Telenovela will Sat.1 an den Erfolg der Telenovela „Verliebt in Berlin“ mit Lisa Plenske anknüpfen. Leider liefert der Sender mit “Anna und die Liebe“ eine Doublette ab – bloß etwas großspuriger. Nun soll das schüchternste Mädchen der gesamten Welt die Herzen der Zuschauer erweichen.

Schön gehört? Lisa Plenske heißt jetzt Anna Polauke und wird dieses Mal von Jeanette Biedermann gespielt. Der Fatsuit und die Hornbrille sind auf wundersame Weise verschwunden. Stattdessen hat sie ein Gesicht aufgesetzt, wie man es von Wiederkäuern kennt – von Tieren also, deren Fähigkeit zur Artikulation von Gefühlen sich in einem „Muh!“ erschöpft.

Dieser Ausdruck absoluter Leere bei gleichzeitigem Offenstehen des Mundes soll sich als ihr größtes Handicap entpuppen. Schüchtern, wie Anna Plenske, pardon, Polauke ist, soll sie in entscheidenden Momenten keinen Ton herausbekommen. Was insofern hinderlich ist, als sie von einer Karriere in einer Branche träumt, die ihr Geld damit verdient, Illusionen zu verkaufen. Zu allem Überfluss hat sie sich auch noch in einen Typen (Roy Peter Link) verguckt, der aussieht wie eine Promenadenmischung aus Brad Pitt und Mon-Chi-Chi.

Wir wissen nicht, wie lange es dauern wird, bis Anna ihren Traumprinzen heiraten und den Job als Chef-Texterin in der bekannten Berlin Werbeagentur Broda & Broda an den Nagel hängen wird, um sich der Aufzucht der gemeinsamen Nachkommen zu widmen, wagen aber mal die Prognose, dass es keine 645 Folgen dauern wird – so lange wie bei der erfolgreichen Sat.1-Telenovela „Verliebt in Berlin“ (VIB).

Zwar hat der Sender mit „Anna und die Liebe“ das gleiche TV-Märchen bestellt, bloß ein bisschen bombastischer. So gibt es deutlich mehr Außendrehs, und mit Mathieu Carrière in der Rolle des gewieften Werbeagenturchefs Robert Broda und Schwiegervaters in spe hat Produzent Christian Popp einen Profi gewonnen, der das schauspielerische Gesamtniveau beträchtlich hebt.

Doch sogar wenn man berücksichtigt, dass die Ansprüche an ein solches Format relativ gering sind, ja, dass man es vielleicht nur zu schätzen weiß, wenn man die Frage nach seinen Hobbys entweder mit a) Parfüm-Namen entwerfen, mit b) in der Bäckerblume schmökern oder mit c) Autogrammkarten von Kai Pflaume sammeln beantwortet, selbst dann könnte es passieren, dass diese Telenovela schneller wieder vom Schirm verschwindet, als Anna, das schüchternste Mädchen der Welt, den Mund wieder zubekommt.

Denn sogar eine halbwegs intelligente Sat.1-Zuschauerin wird merken, dass es eine Mogelpackung ist, die ihnen der Sender da als Original verkauft. Schon Lisa Plenske war eine Kopie von Betty, der Brillenschlange, Protagonistin einer Telenovela, die mit großem Erfolg in Kolumbien lief, bevor sie ihren Siegeszug um den Globus fortsetzte.


Doch während das Pummelchen Plenske noch die ideale Projektionsfläche für alle weiblichen Sat.1-Zuschauer abgab, die die Hoffnung auf kreative Selbstverwirklichung noch nicht aufgegeben hatten, wenn nicht als Teilnehmerin bei „Deutschland sucht den Superstar“, dann doch wenigstens als unbezahlte Praktikantin bei einem ach so hippen TV-Sender in Berlin, unterliegt Anna Polauke einem tragischen Missverständnis. Sie verwechselt Schüchternheit mit Begriffsstutzigkeit.

Vielleicht war es keine besonders gute Idee, die Hauptrolle ausgerechnet mit Jeanette Biedermann zu besetzen. Jenem blonden Hihi-Girl, das einst seine Lehre bei Promi-Frisör Udo Walz abbrach, um sich erste Sporen als Darstellerin in einer Daily Soap bei RTL zu verdienen: Gute Zeiten, Schlechte Zeiten. Danach versuchte es Biedermann mit dem Pop, und als die Karriere ins Stocken geriet, kehrte sie zum Fernsehen zurück.

Sat.1 will das Vorabendprogramm retten

Sat.1 will, nein muss in der Prime Time zulegen. Der Sender will an alte Zeiten anknüpfen, in denen er einen Marktanteil von bis zu 22 Prozent verbuchen konnte. Wenn Lisa Plenske ihren Fatsuit schon längst abgeschnallt hatte, blieb noch der eine oder andere Zuschauer hängen.

Auch die neue Telenovela soll als Türöffner für die Prime Time herhalten. Was sich insofern als schwierig gestalten dürfte, als mit „Alles was zählt“ bei RTL zeitgleich eine beliebte Daily Soap läuft, die sich an dasselbe Klientel richtet.

Die neue Telenovela müsste also schon schwerere Geschütze auffahren als eine Truppe von Darstellern, die offenbar mit Blick auf den Rechenschieber gecastet wurde. So soll Mathieu Carrière die Muttis und der ehemalige DSDS-Sieger Alexander Klaws die Mädels in die watteweiche Werbewelt zu Sat.1 locken, die Anna, das Aschenputtel, das als Aushilfe im elterlichen Restaurant „Goldelse“ zu versauern droht, einmal so beschreibt: „Werbefuzzis trinken einen Latte Macchiato nach dem anderen und warten auf eine tolle Idee.“

Alexander Klaws spielt den Lover von Annas intriganter Schwester Katja (Karolina Lodyga). Um auf Nummer sicher zu gehen, haben ihm die Autoren eine schweißtreibende Liebesszene ins Drehbuch geschrieben.

Und Jeanette Biedermann? Der klappt die Kinnlade herunter, als der von ihr umschwärmte Junior-Chef von Broda & Broda aufkreuzt und sie mit der Frage verblüfft, welcher Name besser zu einem neuen Frauenduft passe: „Pink Appeal oder Teen Spirit?“ „Äääh..“

Dass ihre Schwester Katja zunächst trotz deutlich niedrigerem IQ bessere Chancen zu haben scheint, ihr diese gute Partie vor der Nase wegzuschnappen, kann der Telenovela nicht die erforderliche Spannung einhauchen. Schließlich weiß man jetzt schon, wie das Rennen ausgeht.

Die Kuh gewinnt.

Sat.1, "Anna und die Liebe", montags bis freitags, jeweils 19 Uhr bis 19.30 Uhr.