Der erste Mann, der sich vor ein paar Wochen in der „GoldBar“ eine ansteckte, tat das wenigstens noch diskret. Der Raucher, ein Mittdreißiger in einem engen Shirt, mit goldener Uhr am Arm und einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio, hielt seine Zigarette unter dem kniehohen Tisch, auf dem seine 400 Dollar teure Flasche Belvedere Premium Wodka thronte. Seine großzügige Bestellung ließ die Kellnerinnen milde ein Auge zudrücken. Um die Uhrzeit – es war nachts um halb eins – war sowieso mehr Personal da, als Gäste im Raum.
Eine Stunde später allerdings schien es, als hätte es ein Rauchverbot in Amerika nie gegeben. Die kleine Lounge-Bar auf der Lower East, wo das Privileg, Hunderte von Dollar für eine Flasche Alkohol auszugeben, einem von strengen Türstehern ausgewählten Kreis der oberen Gesellschaft vorbehalten ist, quoll über vor Menschen – und Rauch! Eine sehr dünne Frau im Minirock rekelte sich auf einer Couchlehne und blies genüsslich ihren Qualm in die Luft. Andere tanzten mit brennender Kippe.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg dürfte wohl kaum für die Gästeliste dieser Party verantwortlich gewesen sein. Seit sechs Jahren gilt in New York City ein strengstes Nichtrauchergesetz für Bars, Cafés und Restaurants. Im letzten Herbst dachten sogar einige Politiker darüber nach, das Rauchen auch noch auf öffentlichen Plätzen und in Parks zu verbieten. Aber dort, wo die New Yorker Ausgehszene unter sich ist, wird einfach weiter gequalmt – who cares?
Rauchverbotfreie Zonen. Alle wissen, dass es sie gibt. Keiner spricht groß darüber. Dabei ist es so etwas wie in offenes Geheimnis, dass in fast jedem Club, der von einem Türsteher und einer Absperrung geschützt wird, geraucht wird. Und keiner unternimmt etwas dagegen. Im Gegenteil. Letztes Jahr gab der Society-Blog GuestofaGuest.com sogar einen extra „Raucherführer durch New York Citys Nachtleben“ auf den Markt.
Die meisten dieser Nachtklubs, in denen illegales Rauchen gestattet wird, befinden sich Downtown Manhattan, auf der Lower East Side. Es sei mehr denn je cool zu rauchen, erzählt ein New Yorker. Das Rauchverbot, erklärt er, sei nur für Spießer. Alle anderen würde es eben gerade nicht vom Rauchen abhalten, sondern im Gegenteil: Gegen die Regeln zu verstoßen mache den Reiz aus. Das habe so etwas vom rebellischen Teenagersein, „wie wenn man früher heimlich zuhause ein Bier gezischt hat, wenn die Eltern abends mal weg waren.“
Eins wird deutlich: Selbst im streng Gesetzgeregelten und Anti-Aging bewussten New York lassen sich die Menschen nicht jeden Genuss verbieten. Bereits 2004 berichtete die New York Times über kleine Kneipen, die Stammkunden erlaubt hätten, außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten zu rauchen.
2008 eröffnete das Restaurant „Libertine“ im Finanzdistrikt. Dort verteilten Zigarettenmädchen per Bauchladen Tabakwaren an die Gäste. Kostenlos! Und im „Beatrice Inn“ – einst die „Raucherhütte mit der tiefen Decke“ genannt – sah man Schauspielerin Kirsten Dunst (wie passend der Name!) Nachts an der Theke hinter dem D.J. -Pult, wie sie mit der Kippe in der Hand zur Musik ihres Freundes tanzte.
Eine herrlich glamouröse Szene. Dummerweise nur schilderte der New York Observer diese genau in der Woche, als der Betreiber des „Beatrice Inn“ zum dritten Mal innerhalb eines Monats wegen Verstoß gegen das Nichtrauchergesetz verwarnt worden war. Letztes Jahr im April musste er seinen Laden schließlich dicht machen.
Übrigens: Nicht, dass man unbedingt ein Promi sein müsste, um illegal zu rauchen. Pat Shea, ein junger Student, zündete sich an einem Dienstagabend eine Zigarette im „Avenue“ an. In dem Club verkehren sonst auch Justin Timberlake und Lindsay Lohan. Pat Shea hatte seine Packung Zigaretten geschnappt und wollte gerade raus, als ihn ein Mitarbeiter aufhielt: „Machen Sie sich doch keine Umstände“, sagte der zum Gast, worauf der überrascht fragte, wo er denn im Club rauchen dürfte? „Ach, wo sie wollen“, hieß es nur.
All die Rauchzeichen sind der Gesundheitsbehörde der Stadt dennoch nicht entgangen. Die Anzahl der Verwarnungen ist in den letzten Monaten um 35 Prozent gestiegen –das „Avenue“ allerdings, über dessen Raucher immer wieder berichtet wird, war bisher nicht dabei…
Elliot Marcus vom Gesundheitsamt weiß um das Problem, das Verbot in den Griff zu kriegen: „Es sind diese High End Läden. Dort gehen schicke, reiche Leute hin, die grundsätzlich meinen, dass Regeln nicht für sie gelten.“ Die Behörde hat ihre Raucherpatrouillen nun verstärkt.
Hartnäckige Beamte in Zivil durchkämmen seitdem die Clubs im angesagten Meatpacking District, die Lower East Side und auch Queens. „Ein Katz und Maus Spiel ist das“, sagt Marcus. Nicht nur in New York, auch in Chicago, Honolulu, Ohio und Virginia jagt man die Sünder. In insgesamt 27 Staaten sowie in Washington DC sind Zigaretten und Zigarren in Bars und Lokalen verboten.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat es in Amerika Nichtrauchergesetze gegeben, in den 20ern wurden sie abgeschafft. Und jetzt? In einem Punkt sich die New Yorker einig: Die Angewohnheit ist schwerer aufzugeben als man denkt.
Eugene Remm, Besitzer eines ebenfalls Raucherfreundlichen Clubs, dem „Tenjune“, sagt, seine Leute würden die Gäste immer höflich auffordern, raus zu gehen, wenn sie sich eine Zigarette anzündeten. Das Problem sei nur, dass die Gäste nicht darauf hörten. „Man bittet sie freundlich um Rücksichtnahme, oft drücken sie dann auch ihre Kippe aus, aber zehn Minuten später haben sie die nächste zwischen den Lippen.“
Tenjune hat im Dezember 2008 einen Eintrag wegen Gesetzesverstoß bekommen. Bei den folgenden zehn Nikotin-Razzias der Gesundheitsbehörde in seinem Laden wurden allerdings keine Überschreitungen mehr festgestellt.
Die „GoldBar“ dagegen wurde in derselben Zeit dreimal eingetragen. Jamie Mullholland, der Besitzer, wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Noah Tepperberg, Besitzer der „Avenue“ Bar und der "Marquee" Bar dagegen verteidigt sich heftig. Die Anschuldigungen seien vollkommen haltlos. „Man macht doch viel mehr Umsatz, wenn Menschen zum Rauchen rausgehen“, erklärt er. „Die trinken ihren Drink aus, bevor sie vor die Tür gehen. Und wenn sie wieder reinkommen, bestellen sie einen neuen.“
Dass einer seiner Mitarbeiter im „Avenue“ einen Gast sogar eingeladen hätte, seine Zigarette ruhig in der Bar zu rauchen, will er nicht glauben. Die Gesundheitsbehörde hat inzwischen angekündigt, das Einhalten der Raucherverbote strenger und öfter zu kontrollieren. „Regeln gelten für alle“, warnt Elliot Marcus. „Vor allem für die Reichen!“
Aus dem Englischen von Judith Luig