Bad Reichenhall

Bewährungsstrafe nach Eishallen-Einsturz gefordert

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15 Kinder und Frauen sind im Jahr 2006 bei dem Unglück in Bad Reichenhall ums Leben gekommen. Eine Eishalle war damals unter den Schneemassen eingestürzt. Die juristische Aufarbeitung ist schwierig: Die meisten Angeklagten sind gestorben oder verhandlungsunfähig. Nur der Bauleiter stellt sich dem Prozess.

Für den Fachbauleiter des eingestürzten Eissporthallendachs von Bad Reichenhall hat die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren gefordert. Wenn der Bauingenieur nicht so viele Fehler gemacht hätte, „würde die Halle mit Sicherheit heute noch stehen“, sagte Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger in seinem Schlussplädoyer vor dem Landgericht Traunstein. Deshalb sei der 68-Jährige wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen zu verurteilen.

Beim Einsturz des Hallendachs am 2. Januar 2006 waren 15 Kinder und Frauen ums Leben gekommen, 34 Menschen waren verletzt worden. Auch die beiden anderen Angeklagten – ein Architekt und ein Statiker, der der Halle drei Jahre vor dem Einsturz einen guten Zustand bescheinigt hatte – seien schuldig, sagte der Staatsanwalt. Der Einsturz „war keine höhere Gewalt, sondern eine Aneinanderreihung von Pflichtverletzungen und Versäumnissen“, sagte Hammerdinger.

Zugleich erhob er schwere Vorwürfe auch gegen Verantwortliche der Stadt Bad Reichenhall, die Bauherrin und Aufsichtsbehörde zugleich war. „Es sitzen nicht die Falschen auf der Anklagebank, aber es sitzen nicht alle Verantwortlichen auf der Anklagebank“, sagte der Staatsanwalt. Sieben Mitverantwortliche seien aber bereits verstorben oder wegen Krankheit nicht prozessfähig.

Hammerdinger beklagte: „Schuldabwälzungsstrategie ist es, was wir in diesem Verfahren bis zum Überdruss erleben konnten.“ Statiker, Ingenieure, Prüfer und Beamte hätten die Schuld auf andere schieben wollen. Nur der Fachbauleiter habe Einsicht gezeigt.

Das Hallendach sei wegen „zweier wesentlicher Fehler in der statischen Berechnung“, gravierender Fehler in der handwerklichen Ausführung und eklatanter Prüffehler eingestürzt. Die Konstruktion sei nicht zulässig gewesen, und es sei ein falscher, feuchtigkeitsempfindlicher Leim verwendet worden. Bauleiter, Architekten und Stadt hätten die Eislaufhalle ohne vorgeschriebene geprüfte Statik errichten lassen. Architekten, Ingenieure und Prüfer hätten das später ignoriert.

Der Staatsanwalt warf dem 68-jährigen Bauingenieur vor, die Statik des Dachs komplett falsch berechnet zu haben. Außerdem habe er Vorschriften mehrfach ignoriert und übersehen, dass eine Holzbaufirma die Träger nicht aus einem Stück, sondern aus drei Teilen zusammengesetzt und auch noch den falschen, wasserempfindlichen Leim verwendet habe. Aber als einziger Angeklagter habe er Einsicht in seine Schuld gezeigt und sei sogar in der Psychiatrie gewesen. Als junger Ingenieur vor 35 Jahren habe er unter großem Zeit- und Erfolgsdruck gestanden.

Die beiden anderen Angeklagten hatten jede Schuld bestritten. Die Vertreter der Opferfamilien und die Verteidiger sollen in den nächsten Wochen plädieren. Das Urteil wird spätestens Mitte Dezember erwartet. Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten, einen ehemaligen Stadtbaumeister, war abgetrennt worden, weil er schwer erkrankt ist. Ob dieser Prozess noch nachgeholt wird, ist offen.