Kriminalität

Militante Tierschützer in England vor Gericht

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Sebastian Borger

Sie sollen jahrelang Zulieferer von Europas größtem Tierlabor bedroht haben. Mit Erfolg: Mehr als 80 Firmen distanzierten sich öffentlich von dem Unternehmen. Und auf dem Kontinent macht das Beispiel der englischen Extremisten bereits Schule.

Drohbriefe sowie angeblich mit dem Aids-Virus verseuchte Damenbinden im Briefkasten, Graffiti mit falschen Anschuldigungen in der Nachbarschaft – sechs Jahre terrorisierte eine Gruppe militanter Tierschützer die Kunden und Zulieferer von Europas größtem Tierlabor. Ihr Ziel: die Schließung von Huntingdon Life Sciences. Jetzt stehen acht Mitglieder der Gruppe Shac in Winchester vor Gericht.

Die Tier-vernarrte Insel ist auch das Mutterland des militanten Tierschutzes. Dabei gelten in Großbritannien ohnehin „die schärfsten Vorschriften der Welt“, sagt Simon Festing von der Gesellschaft zur Verteidigung der Forschung (RDS), die von Pharma-Unternehmen und Universitäten bezahlt wird. „Nirgendwo sonst wird so genau zwischen dem erhofften Nutzen für die Forschung und den Auswirkungen für die Tiere abgewogen.“ Anders als etwa in Frankreich sind Tierversuche für die kosmetische Forschung in Großbritannien schon seit 1997 verboten.

Auf rund 50 schätzen Experten die Zahl jener hochengagierten Aktivisten, die für die Abschaffung aller Tierversuche eintreten. Als gewaltbereit gelten allenfalls ein gutes Dutzend. Zu ihnen zählen laut Staatsanwalt Michael Bowes auch die Angeklagten um das Ehepaar Greg und Natascha Avery, die 1999 Shac gegründet hatten. Mit legalen Mitteln wie Demonstrationen oder Mahnwachen, aber auch durch Telefon-Terror, Brandbomben und eine Grabschändung erzielten sie jahrelang Erfolge.

"Attacken auf Dich, Dein Haus, Deine Familie"

HLS sah sich alltäglichem Einschüchterungsterror ausgesetzt, darunter täglich Dutzende von Drohanrufen. Immer wieder gingen Autos von HLS-Mitarbeitern in Flammen auf, Manager Gordon Field wurde im eigenen Hausflur von Maskierten zusammengeschlagen. Die jetzt vor Gericht verhandelten Delikte beziehen sich aber auf Zuliefer-Firmen und deren Angestellte.

Eines der Opfer wurde über vier Jahre „dauerhaft angegriffen“, heißt es in der Anklage. Der Mann fand angeblich verseuchte Damenbinden im Briefkasten und Bombenattrappen unter seinem Auto. Die Extremisten verleumdeten den Familienvater als Pädophilen. Dem Manager einer anderen Firma drohten sie mit „Attacken auf Dich, Dein Haus, Deine Familie. Die Schreie der Tiere sind in unseren Köpfen. Wir werden sie nicht im Stich lassen.“


Als besonders wirkungsvoll erwies sich eine innovative Strategie der Tier-Miliz: Systematisch wurden Aktionäre, Lieferanten und Banker unter Druck gesetzt, ihre Verbindungen zu HLS zu kappen. Nach englischem Aktienrecht müssen Firmen Namen und Adressen ihrer Aktien-Besitzer offen legen. Also demonstrierten die Tierschützer in den Vorgärten von Kleinanlegern, blockierten die Eingänge zu Investment-Banken, verwüsteten die Privatwohnungen von Groß-Anlegern. Resultat: Mehr als 80 Firmen distanzierten sich öffentlich von HLS.

Auf dem Kontinent macht das Beispiel der englischen Extremisten Schule. Der Schweizer Staatsschutz hat rund zwei Dutzend militante Tierschützer im Visier, in Basel wurden 2006 Graffiti-Sprayer festgenommen, die zwei Privathäuser beschmiert hatten. Der Angriff richtete sich gegen den Pharma-Konzern Roche, der zur HLS-Kundschaft gehört. Auch in Österreich kamen im Frühsommer militante Tierschützer in Haft.