Auswanderer

Viele Exildeutsche wollen zurück in die Heimat

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Thomas Böhm

Foto: dpa

71 Prozent der Deutschen im Ausland bekommen Heimweh. Oft starten sie mit großen Zielen ins Unbekannte und scheitern. Auch unser Autor lebte einige Jahre im Ausland. Und eines steht für ihn nun fest: Er will weg aus Portugal und zurück ins verregnete Deutschland.

Ich will hier weg. Ganz schnell. Zurück. In den Regen, in die Kälte, in den Lärm, in den grauen Alltag von Berlin. Das muss das Paradies sein. Hier, im Süden Portugals, ist es auf jeden Fall die Hölle. Nicht nur, weil es so heiß ist. Nein, 3000 Kilometer weg von der Heimat war es für mich einfach nicht möglich zu leben, geschweige denn zu überleben.

Das hatte ich mir vor dreieinhalb Jahren natürlich anders vorgestellt. Da geht es mir wie der großen Mehrheit der deutschen Auswanderer: 68 Prozent finden ihr neues Leben im Ausland „schwieriger als erwartet“, 71 Prozent wollen irgendwann zurück.

Ich kannte Portugal aus vielen Urlauben. Aber Urlaub ist nichts anderes als gefälschter Alltag. Und der Alltag im Urlaubsland bleibt letztendlich doch nur Alltag, trotz traumhafter Landschaft. Das wusste ich zwar, aber mit einer Sonnenbrille sah damals doch alles viel schöner aus.

Mit Frau, Kanninchen und ein bißchen Geld dem Streß entflohen

Vor zweieinhalb Jahren, im Januar 2005 also, bin ich mit Kater, Kaninchen und Frau aus dem Regen, der Kälte und dem Stress geflohen und habe mich hier in Strandnähe in einem kleinen Dorf niedergelassen. Mit ein wenig Geld im Koffer, aber nicht genug, um bis ans Ende meiner Tage auf einer Sonneliege zu verkokeln.

Für 750 Euro hatten wir ein Haus mitten im Dorf direkt an der Kirche gemietet. Ein portugiesisches Stadthaus mit Patio, Kamin und blau bemalten Fliesen an der Wand. Das war im Januar. Es war bitterkalt. Eisiger Wind fegte durch die Ritzen, der Kamin funktionierte natürlich nicht. Das Erste, was ich in Portugal kaufte, war ein dicker Pullover, und da ich mit Strom heizte, stiegen die Nebenkosten in den ersten drei Monaten um weitere 750 Euro.

Arbeit musste her. Die gibt es aber nur während der Saison, von Mai bis September. „Hier musste alles machen, flexibel sein!“, wurde mir von Deutschen gesagt, die schon länger hier lebten. Aber das waren alles Handwerker: Maurer, Zimmerleute, Gas-Wasser-Installateure. Die hatten immer was zu tun. Die anderen lebten von Prozenten. Indem sie Autos, Villen und Apartments vermieteten.

Hundehaufen schaufeln im Tierasyl

Ich schaufelte erst mal für vier Euro die Stunde Hundehaufen in einem Tierasyl beiseite. Meine Frau schuftete für fünf Euro auf einer Baustelle, mischte Beton und schleppte tonnenweise Sand mit einer Karre durch die Gegend. Wir haben alles gemacht, Klos geputzt, Pools gereinigt, Postkarten verkauft, Korkeichen geschält, Gäste vom Flughafen abgeholt, Käsebrote geschmiert und am Strand verhökert. Ich musste sogar, als Pirat verkleidet, eine Saison lang auf einem Schiff, das die Touristen die Atlantikküste entlangschipperte, Kinder erschrecken.

Heimweh wurde ertränkt. Mit Bier. Beim Fußballstammtisch. Was haben wir gegrölt, wenn Monica Lierhaus in der „Sportschau“ über den Bildschirm flimmerte. Das war dann jede Woche ein schönes Stück Zuhause. Der viel versprochene Besuch aus Berlin blieb auch aus. Also musste ich mich mit dem begnügen, was hier ebenfalls gestrandet war: echte Aussteiger, Illegale, ohne Ausweis, immer auf der Flucht. Strauchdiebe und Halsabschneider, die für jeden Handschlag die Hand aufhielten, windige Geschäftemacher, die mir mit leeren Versprechungen und gefälschten Dokumenten das Geld aus der Nase zogen.

Deutsche untereinander verstehen sich im Ausland noch schlechter

Aber es gab natürlich auch die fleißigen Deutschen oder Künstler, die sich hier ein neues schönes Leben erschaffen hatten – vor über 15 Jahren, als hier noch alles einfach und billig war. Ich war zu spät gekommen und hatte mich verkalkuliert. Nicht nur finanziell – die Einnahmen reichten gerade, um die teuren Handyrechnungen zu begleichen –, auch menschlich steckte ich in der Sackgasse. Anstatt in der Fremde zusammenzuhalten, gab es zwischen uns Deutschen nur Neid, Zank und Streit. Das Geld war einfach zu knapp, als dass alle gut verdienen hätten können.

Ach ja, dann gab es auch noch die Portugiesen, die hier lebten oder in den Sommermonaten die Strände überfüllten. Sie waren freundlich, wenn wir bezahlen konnten, weniger freundlich, wenn sie bezahlen mussten. Schade, dass ich sie so schlecht verstehen konnte. Das nächste Mal, wenn ich auswandere, lerne ich vorher die Sprache, versprochen – aber so doll wird in der Hauptstadt ja nicht mehr berlinert.

WELT-ONLINE-Mitarbeiter Thomas Böhm zog 2005 von Berlin nach Portugal.