Einwurf Union

Union und das weltmeisterliche Schlamassel

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Michael Färber
Das Logo von Union Berlin am Stadiondach der Alten Försterei.

Das Logo von Union Berlin am Stadiondach der Alten Försterei.

Foto: Andreas Gora / picture alliance / Andreas Gora

Warum sich nicht nur die WM-Kandidaten von Union Berlin in einer schwierigen Situation befinden.

Ich habe es wieder getan. Dabei hatte ich mir dieses Jahr fest vorgenommen, standhaft zu bleiben. Doch im entscheidenden Moment war das Kind in mir doch erneut stärker. Und natürlich konnte ich der Auslage direkt an der Kasse – wer hat sich eigentlich dieses perfide Verkaufssystem ausgedacht? – nicht widerstehen.

Schon hatte ich, wie aus einem mir nur schwer zu erklärenden Reflex heraus, diese vielen kleinen Tüten in der Hand. Wer jetzt an Marihuana und Co. denkt, sollte durch den dichten Rauch hindurchblicken. Denn die Erfüllung, die ersten Sticker in mein neues WM-Album zu kleben, lässt sich einfach durch kein Rauschmittel ersetzen. Panini sei Dank.

Man kann einfach nicht aus seiner Haut heraus, weder privat noch beruflich. Also ertappte ich mich dabei, dass ich beim ersten Durchblättern vor allem auf die Profis achtete, die im Liga-Alltag mit dem Logo des 1. FC Union auflaufen. Frederik Rönnow, den Torwart, habe ich natürlich gefunden, auch wenn seine Nominierung für Dänemark immer noch in den Sternen steht. Verdammte Oberschenkelblessur. Aber vielleicht geht ja doch noch etwas, die endgültige Nominierung muss ja erst am 14. November erfolgen.

Union Berlin hat einige WM-Kandidaten

Genki Haraguchi habe ich natürlich gelesen, der mit Japan gleich im ersten Gruppenspiel die deutsche Mannschaft gehörig nerven wollte. Schade, dass er von Nationaltrainer Hajime Moriyasu wohl nicht berücksichtigt werden wird.

Auch Polens Tymoteusz Puchacz kann eingeklebt werden, zuletzt zählte er ja immer zum polnischen Aufgebot. Diogo Leite wiederum habe ich vergeblich gesucht. Dabei steht der Innenverteidiger im erweiterten Kader der Portugiesen. Das dürfte dann sicher ein Fall für das berühmte Ergänzungsset werden, das Panini während eines Turniers auf den Markt werfen wird.

Nach Robin Knoche und Rani Khedira habe ich übrigens nicht gesucht. Zumindest nicht beim ersten Durchblättern. Ich hätte sie auch nicht gefunden. Dabei sollen Unions Abwehrchef und der zentrale defensive Mittelfeldspieler ja auf der ominösen 55-Mann-Liste von Bundestrainer Hansi Flick stehen. Khedira hat dies ja auch schon längst bestätigt.

Matthäus adelt Union Berlin

Und Lothar Matthäus – sie wissen schon: Deutschlands Rekord-Nationalspieler – würde ihn ohne zu zögern ins endgültige Aufgebot berufen. Wäre dann folglich noch so ein Fall für das Ergänzungsset. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich werde ich auch hier zugreifen.

Das ist dann wohl der Moment, um innezuhalten. Nein, nicht um sich zu fragen, ob ein Mann im gar nicht mehr so jugendlichen Alter sich einer solch herrlichen Kinderei noch hingeben sollte. Die Antwort darauf kann nur ja lauten.

Aber es ist schon erstaunlich, wie viele Spieler von Union international mit ihren Nationalmannschaften auf sich aufmerksam machen. Da habe ich Christopher Trimmel, der sich mit Österreich leider nicht qualifiziert hat, noch gar nicht erwähnt. Oder Andras Schäfer, der mit Ungarn ebenso das WM-Ticket verpasste. Seine Knöchelverletzung hätte nun ohnehin einen WM-Einsatz unmöglich gemacht.

Bei Union Berlin verbessern sich Spieler

Wenn man sieht, wie diese Profis Woche für Woche daran arbeiten, sich zu verbessern, was bei Union unter Trainer Urs Fischer ja offensichtlich möglich ist – ist ihnen dann zu verdenken, dass sie ihren WM-Traum verwirklichen wollen? Selbst wenn es in ein Land geht, das nicht nur den Ball, sondern auch die Menschenrechte massiv mit Füßen tritt? Das Signal eines WM-Boykotts wäre gigantisch, weil die Plattform größer kaum sein kann. Und damit auch die weltweite Aufmerksamkeit.

Doch jeder, der einen solchen Verzicht fordert, sollte sich zumindest für einen kurzen Moment in die Lage eines Sportlers versetzen. Auch wenn es viele anders sehen mögen: Ich finde diese Entscheidung wirklich schwierig. Weil es eben doch eine Herausforderung sein kann, seine persönlichen Befindlichkeiten für welche gute Sache auch immer weit zurückzustellen. An diesem Punkt ist jeder schon mal in seinem Leben gewesen. Garantiert.

Was meine Befindlichkeiten bezüglich des Kindes im Manne betrifft: Ich werde beim nächsten großen Turnier diese Kleberei ein für alle Mal beenden. Der Grund ist einfach. Panini ist bei der EM 2024 in Deutschland nicht mehr Herr der Tütchen. Und den anderen Anbieter boykottiere ich.

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