Berlin. Union verspielt im ersten Champions-League-Heimspiel gegen Braga eine 2:0-Führung und verliert in der Nachspielzeit mit 2:3.
So hat man Urs Fischer selten, im Grunde eigentlich noch nie erlebt. Jedenfalls nicht als Cheftrainer von Union Berlin. Gedanken versunken saß er auf seinem Platz auf der Trainerbank, suchte im mit 73.345 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion nach Gründen, warum auch dieses erste Heimspiel in der Champions League vor der Rekordkulisse verloren gegangen ist.
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Später, lange nach dem 2:3 (2:1) gegen den SC Braga, versuchte sich der Schweizer an einer Erklärung: „Man fragt sich, wie viel Schläge kann man noch einstecken.“ Fischer sprach von einer „ganz bitteren Niederlage“. Für Union war es die sechste in einem Pflichtspiel in Folge, die zweite in der Königsklasse – und wieder in der Nachspielzeit. Schon bei Real Madrid hatte es das 0:1 erst kurz vor dem Ende gesetzt.
„Wir haben eigentlich mehr verdient als bislang null Punkte“, sagte Verteidiger Danilho Doekhi: „Wir haben komfortabel geführt, hatten viele Chancen zum 3:2.“ Doch nach verspielter 2:0-Führung war es Bragas André Castro, der Union im allerletzten Moment schockte.
Union Berlin tritt selbstbewusst auf
Das Olympiastadion war fest in Union-Hand, eine größere Unterstützung hat Union in einem Heimspiel bislang nicht erhalten. Und die Berliner präsentierten sich alles andere als verunsichert. Fünf Pflichtspielniederlagen in Folge? Einfach ausgeblendet.
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Die Ausgangslage am zweiten Spieltag der Champions-League-Gruppe C war klar: Der Sieger würde sich berechtigte Hoffnung auf ein Überwintern in Europa machen können, der Verlierer wiederum wäre dann doch schon ein gutes Stück vom Weiterkommen entfernt.
Und genau so traten die Hausherren auf. Mutig. Konzentriert. Zielstrebig. Mit Josip Juranovic (für Christopher Trimmel) und Janik Haberer (für David Fofana). Und mit der frühen Führung – zumindest fast, Robin Gosens Treffer kassierte der Videoschiedsrichter ein, da Flankengeber Sheraldo Becker im Abseits gestanden hatte.
Union lässt erneut viele Chancen liegen
Dies war in der Folgezeit Unions Hauptproblem: das Abseits. Ein ums andere Mal musste der serbische Schiedsrichter Srdjan Jovanovic Berliner Offensivaktionen mit einem Pfiff abrupt beenden. Union überlegen, und wieder nicht dabei, sich zu belohnen? Kevin Behrens stürmte allein aufs Braga-Tor zu – und verstolperte (19.). Becker, von Gosens überragend per Kopf in Szene gesetzt – Endstation Torwart Matheus (27.).
Dabei geht es doch so einfach. Alex Kral schickte Becker, den Braga kaum in den Griff bekam, einfach die Linie runter, und der Union-Stürmer schob den Ball eiskalt an Matheus zum 1:0 vorbei (30.). Als Becker nach einem erneut zügigen Angriff und einer Kopfball-Verlängerung von Lucas Tousart erst auf und davon eilte und auf 2:0 erhöhte, wurde das Olympiastadion zum Tollhaus (38.).
Torwart Rönnow patzt beim Anschlusstreffer
Für Braga war das der Weckruf. Die Portugiesen zeigten nun, über welch technische Qualitäten sie verfügen. Der schnelle Anschlusstreffer durch Sikou Niakate war die Folge (41.). Frederik Rönnow hatte zuvor einen Schuss von Ricardo Horta von der Strafraumgrenze unzureichend pariert. Nicht die einzige Unsicherheit, die sich der Däne am Dienstagabend erlaubte.
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Beim Sonntagsschuss von Bruma gab es für Rönnow allerdings nicht mal ansatzweise etwas zu halten. Nach einer Ecke schlenzte Bragas Stürmer den Ball ins obere rechte Eck (51.). 2:2 kurz nach Wiederbeginn – und da war sie, die Verunsicherung, die Coach Fischer im Vorfeld der Partie bei seinen Profis ausgemacht hatte.
Nur langsam befreite sich Union vom Druck der Portugiesen, die nun mehr wollten. Doch erst eine Becker-Flanke auf den eingewechselten Kevin Volland, der das Kunststück fertigbrachte, aus acht Metern völlig freistehend Torwart Matheus zu treffen, brachte Union zurück ins Spiel (70.). Becker traf nur das Außennetz (75.), Trainer Fischer fasste sich ungläubig an den Kopf.
Volland und Aaronson scheitern völlig freistehend
Union warf alles nach vorn, doch die Zeit lief den Köpenickern davon. Die Fans waren längst aufgestanden, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Der eingewechselte Brenden Aaronson scheiterte mit seinem Kopfball nach Volland-Flanke an seinen Nerven (85.). In der Nachspielzeit musste Braga-Torwart Matheus bei einem abgefälschten Kral-Fernschuss noch einmal sein Können zeigen – dann folgte der Schock durch Castro (90.+4).
„Braga ist eine Mannschaft, die gut Fußball spielen kann. da kannst du nicht alles verteidigen“, sagte Mittelfeldspieler Haberer. Und wie kann Union wieder auf die Erfolgsspur zurückfinden? „Wir müssen einfach weitermachen, einfach auf dem Weg bleiben, auf dem wir sind“, erklärte Haberer. Was die Punkteausbeute angeht, ist das vielleicht nicht der allerbeste Vorschlag.