Brüssel. Die Fans von Union Berlin skandierten von den Rängen laut „Urs Fischer“, als der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten am TV-Mikrofon erklären sollte, was am Donnerstagabend alles schiefgelaufen ist. Zur gleichen Zeit stand Union-Kapitän Christopher Trimmel in der Mixedzone des Lotto-Parks von Anderlecht und sagte den wohl entscheidenden Satz: „Wir sind heute nicht als Mannschaft aufgetreten.“
Der Traum von Union Berlin auf das Viertelfinale in der Europa League ist ausgeträumt. Die Mannschaft von Trainer Urs Fischer unterlag im Achtelfinal-Rückspiel Royal Union Saint-Gilloise verdient mit 0:3 (0:1). Die Ovationen von den Rängen nach einem bitteren Europacup-Abend nahmen die Spieler mit teils leeren Blicken entgegen.
„Die Enttäuschung ist groß, auch wenn es um die Art und Weise geht“, sagte Fischer später: „Aber wenn du solche Fehler machst wie wir, und das nicht erst seit heute – in den letzten Spielen verfolgen uns solche Ballverluste, mit denen du den Gegner einlädst.“
Fans von Union Berlin halten sich an die Auflagen
Dass die Aktien für ihre Mannschaft gutstehen würden, daran glaubten die Fans der Köpenicker zumindest im Vorfeld der Partie. Bereits gegen Mittag fanden sich die ersten Anhänger am Place de la Bourse in der Brüsseler Innenstadt ein, um sich auf das Spiel einzustimmen. Neben der absolut friedlichen Übernahme der Musikregie in einem Pub, in dem fortan die eine oder andere der zahllosen Union-Hymne aus den Lautsprechern dröhnte, stand das obligatorische „Reisekader“-Gruppenfoto an.
Im Stadion standen die rund 2000 Union-Fans unter strenger Beobachtung durch die Uefa, die nach den Pyro-Vorfällen im Zwischenrundenspiel bei Ajax Amsterdam eine Bewährungsstrafe ausgesprochen hatte. Diesmal blieb alles im Rahmen. Es gelang ihnen sogar, teilweise eine Heimspiel-Atmosphäre zu erzeugen, da der Lotto-Park des RSC Anderlecht – das Stade Joseph Marien von St. Gilles ist für internationale Spiele nicht zugelassen – nicht ausverkauft war. Die Fans von Royale Union hatten zum Boykott der Partie aufgerufen, weil im Stadion des Erzrivalen gespielt wurde.
Union Berlin macht zu viele Fehler
Die Hoffnungen von Union-Trainer Fischer blieben jedoch unerfüllt. Zum einen hatte der Coach erwartet, dass die Belgier „ein bisschen höher stehen würden als im Heimspiel bei uns“. Doch der Tabellen-Zweite der Pro League tat den Köpenickern diesen Gefallen nicht. Zum anderen hatte der Schweizer sich gewünscht, „dass wir den einen oder anderen Fehler nicht mehr machen“.
Diesen Gefallen tat der Tabellenvierte der Bundesliga seinem Trainer nicht. Wieder überließ Union Saint-Gilloise den Ball zunächst den Berlinern – und diese machten Fehler. Einfache, wie Diogo Leite in der sechsten Minute. Und schwere, wie Robin Knoche zwölf Minuten später.
Union-Trainer Fischer: „Das ist eigentlich nicht Union-like“
Leites Ballvertändeln konnten die Brüsseler durch Simon Adingra (Knoche rettete kurz vor der Linie) und Victor Boniface (Schuss an den Pfosten) noch nicht nutzen. Doch bei Knoches hanebüchenem Abspiel auf Leite, der an der Strafraumgrenze von Adingra praktisch schon bedrängt wurde, schlug St. Gilles durch Teddy Teuma eiskalt zu.
„Dieses erste Tor, warum spielst du den Ball nicht weg?“, rätselte Fischer auch noch weit nach der Partie: „Wir versuchen, da noch eine spielerische Lösung zu finden. Das ist eigentlich nicht Union-like.“ Dass dieses 0:1 Spuren hinterließ, war Union deutlich anzumerken. Gegen die weitaus aktiveren Belgier blieb es bei wenigen Offensivaktionen. Aissa Laidouni wurde von Union Saint-Gilloise dabei ebenso aus dem Spiel genommen wie Sheraldo Becker, der schlicht keinen Platz bekam, um seine Schnelligkeit auszuspielen. Ein Freistoß von Josip Juranovic war noch die gefährlichste Aktion (20.).
Was vor allem auffiel: Das Fischer-Team offenbarte Probleme, die man seit Wochen in dieser Form nicht gesehen hat. Anspiele, die vermehrt im Nirgendwo landeten. Laufwege, die nicht stimmten oder gar nicht erst angetreten wurden. Dazu ein Gegner, der den Berlinern in Sachen Präzision im Spiel und Konsequenz in den Aktionen den Spiegel vorhielt. Kurzum: Union Berlin war im Begriff, an einer besseren Version seiner selbst zu scheitern.
Union Berlin war die Belastung anzumerken
Fischer hatte seine Mannschaft nur auf einer Position geändert im Vergleich zum Unentschieden am Sonntag beim VfL Wolfsburg (1:1). Für Niko Gießelmann lief Jerome Roussillon auf der linken Abwehrseite auf. Dennoch war seinen Spieler die Belastung der vergangenen Wochen anzumerken. Union absolvierte bereits sein 14. Pflichtspiel in diesem Jahr.
Die vage Hoffnung, dass sich nach dem Seitenwechsel das Blatt für die Berliner noch wenden würde, konnte ebenfalls nicht erfüllt werden. Fischer brachte mit Jordan Siebatcheu (für den enttäuschenden Sven Michel) und Janik Haberer (für den kaum effektiven Laidouni) frische Kräfte. Doch der Donnerstagabend, an dem Union Berlin ein weiteres Fußballfest feiern wollte, hielt noch einen weiteren Fauxpas parat, der auf europäischer Bühne gnadenlos bestraft wird.
Platzverweis für den eingewechselten Haberer
Wieder stand Innenverteidiger Leite im Mittelpunkt. Der Portugiese ließ einen weiten Ball der Belgier völlig unbedrängt bei der Annahme viel zu weit wegspringen. Der Ball kam zu Boniface, den Union auch im vierten Duell der Saison nie in den Griff bekam. Der Nigerianer düpierte Danilho Doekhi mit ein paar Übersteigern, passte dann den Ball in die Mitte, wo ihn Lazare Amani aus Nahdistanz nur noch ins Tor zu dreschen bauchte. 0:2 nach 63 Minuten – der Traum von Union Berlin auf die Runde der besten acht Mannschaften war ausgeträumt. Zu allem Überfluss sah der eingewechselte Haberer nach wiederholtem Foulspiel noch Gelb-Rot (80.). Loic Lapoussin (90.+4) erhöhte noch auf 0:3.
„Dennoch dürfen wir stolz sein. Ich denke, wir haben die Farben von Union Berlin gut vertreten und auch den einen oder anderen Punkt geholt für Deutschland in der Fünfjahreswertung“, sagte Fischer. Die Enttäuschung über das Aus war ihm trotzdem immer noch deutlich anzusehen.
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