München. Robin Knoche, dem Abwehrchef von Union Berlin, reichten drei Worte, um den Auftritt im Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga beim FC Bayern zusammenzufassen: „Wir waren chancenlos.“ Worte, die wenig später auch Urs Fischer wählte, wobei der Trainer der Köpenicker nicht zögerte, den Unterschied deutlicher zu benennen. „Bayern war zwei, drei Klassen besser. Bis zum 0:1 ging es noch, auch wenn wir da schon das Spielglück brauchten, um nicht früher in Rückstand zu geraten.“
Union kassiert ein 0:3 (0:3) beim Branchenprimus, der sich vor 75.000 Zuschauern in der Allianz Arena die Tabellenführung von Borussia Dortmund wieder zurückgeholt hat. Ein Ergebnis, das man in München sicher auch mal einpreisen kann. Doch Union blieb über weite Strecken zu viel schuldig, um es dem Favoriten wirklich schwer zu machen.
Laut der Tabelle war es ein Duell auf Augenhöhe. Beide Mannschaften gingen mit 43 Punkten in die Partie. Doch allein eine Zahl im Vorfeld der Begegnung genügte, um noch einmal die unterschiedlichen Dimensionen aufzuzeigen, in denen sich die beiden Kontrahenten bewegten. Die Bayern präsentierten vor Anpfiff das 300.000 Vereinsmitglied, die Münchner untermauerten damit ihren Status als Verein mit den weltweit meisten Mitgliedern. Union bringt es grade mal auf ein Sechstel (gut 49.000 Mitglieder).
Die gut 4000 mitgereisten Union-Fans ließen noch Momente vor Anpfiff ihr ironisiertes „Deutscher Meister wird nur der FCU“ durch das Stadion erschallen. Doch kaum rollte der Ball, ging es nur in eine Richtung – in die von Union-Torwart Frederik Rönnow.
Union Berlin gerät gleich völlig unter Druck
Die Bayern waren angestachelt. Durch die Niederlage in der Vorwoche in Mönchengladbach. Durch den verbalen Ausrutscher durch Trainer Julian Nagelsmann gegenüber den Schiedsrichtern („weichgespültes Pack“). Und durch den Dortmunder Sieg am Sonnabend in Hoffenheim, der den Rekordmeister unter Zugzwang gebracht hatte.
Keine Frage, die Bayern wollten die Tabellenführung mit aller Macht zurück. Und diese Macht demonstrierten sie in der ersten Halbzeit. Spiel mit dem Ball auf höchstem Tempo und mit bemerkenswerter Präzision. Und hatte Union Berlin den Ball erobert und wollte sich an einer Spielfortsetzung versuchen, waren auch alle Räume schon wieder zugestellt und der ballführende Berliner unter enormem Druck.
Union-Trainer Fischer hatte seine Mannschaft auf drei Positionen verändert. Im Vergleich zum Sieg in der Europa League gegen Ajax Amsterdam (3:1) mussten Josip Juranovic, Janik Haberer und Kevin Behrens auf die Bank, Kapitän Christopher Trimmel, Morten Thorsby und Jordan Siebatcheu begannen.
Bayern legen sich Union Berlin zurecht
Doch die kleinen Hoffnungsschimmer durch Jerome Roussillon (15.) oder Siebatcheus Fallrückzieher-Versuch verblassten schnell wieder. Eric-Maxim Choupo-Moting (5.), Jamal Musiala (16., 18.), Thomas Müller (29.), ob nach langen Bällen, Einzelaktionen oder klugem Kombinationsspiel – die Bayern legten sich Union zurecht.
Fast schon folgerichtig, dass der Rückstand durch einen eigenen Fehler eingeleitet wurde. Unions Aissa Laidouni rutscht der Ball durch, Joshua Kimmich bediente Kingsley Coman, dessen Flanke Choupo-Moting per Kopfball vollendete. Der Bayern-Stürmer sprang dabei rund einen Kopf höher als Union-Innenverteidiger Danilho Doekhi, der ansonsten den Luftraum im Strafraum auch zu nutzen weiß (31.).
Wie das Spiel wohl verlaufen wäre, hätte Laidouni die Flanke von Sheraldo Becker aufs Tor gebracht statt drüberzuhämmern (37.). So mussten die Köpenicker zunächst mitansehen, wie Coman den sich ihm bietenden Raum nutzte, Rönnow ausspielte und zum 0:2 einschob (40.). Und in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit fand eine Müller-Hereingabe den Weg durch die halbe Union-Defensive zu Musiala, der seinen 20. Geburtstag mit dem 0:3 krönte (45.+1).
„Was mich ärgert, waren die Gegentore zwei und drei. Da haben wir es ihnen zu einfach gemacht“, sagte Fischer. Abwehrchef Knoche sagte: „Wir wussten, dass wir viel hinterherlaufen werden. Aber wenn du den Ball hast, dann musst du mehr daraus machen, ihn auch mal behaupten. Die Tore darfst du so nicht herschenken.“
Fans von Union Berlin feiern trotzdem
Es gehört zum Selbstverständnis der Köpenicker dazu, dass man sich trotz des Höhenfluges in den vergangenen Monaten selbst gut einzuschätzen weiß. Das „Auswärtssieg, Auswärtssieg“ sowie das obligatorische „Kämpfen und Siegen“ aus dem Union-Block zeigte, dass sich zumindest der Anhang der Berliner bei winterlichen Verhältnissen (minus ein Grad, Schneefall) den Spaß nicht verderben lassen wollte.
Doch die Mannschaft bekam bei der ersten Niederlage des Kalenderjahres ihre Grenzen aufgezeigt. Eine Lehrstunde durch die Bayern, die damit auch offenbarten, wie ernst sie Union in dieser Phase der Saison nahmen. Es ist vielleicht das Einzige, was die Köpenicker als positives Mitbringsel aus München mit nach Hause nehmen konnten.
Becker vergibt beste Chance für Union Berlin
Davies leitete mit seiner Chance (48.) eine zweite Halbzeit ein, in der der deutsche Meister nur unmerklich nachließ. Langsam machte sich auch bemerkbar, dass Union noch das kräftezehrende Europa-League-Spiel gegen Amsterdam in den Knochen hatte, derweil die Bayern unter der Woche Kraft tanken konnten.
Vielleicht doch die Chance zum Anschlusstreffer? Beckers Schuss wurde dann doch noch abgefälscht und flog noch abgefälscht haarscharf vorbei (58.). Auf der anderen Seite wirbelten Müller, Musiala und Co. einfach weiter. An einem Sonntagnachmittag, an dem Union schlicht chancenlos war.
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