Berlin. Lag es an der Unterstützung durch die Fans? Etwa zwei Dutzend Anhänger hatten sich vor dem Gelände der Alten Försterei eingefunden und ein ums andere Mal ihre Lieder angestimmt. Oder lag es an der Situation im Kampf um den Klassenerhalt, die sich am Sonnabend durch den Mainzer Sieg in Frankfurt und das Düsseldorfer Remis gegen Hoffenheim noch einmal verschärft hatte?
Die Mannschaft des 1. FC Union schien jedenfalls die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und lieferte ihre beste Leistung seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Fußball-Bundesliga ab. Doch auch gegen Schalke 04 wollte nicht der ersehnte Erfolg herausspringen. Immerhin gab es mit dem 1:1 (1:1) den zweiten Punkt für Union in der Corona-Krise.
„Wir wollten unbedingt einen Dreier holen und Schalke unter Druck setzen. Den Ausgleich kriegen wir zu einfach, wie in den vergangenen Wochen“, sagte Robert Andrich. Der Mittelfeldspieler hatte Union in Führung gebracht – mit seinem ersten Saisontor nach 48 Versuchen. „48? Dann war‘s mal an der Zeit“, so Andrich.
Union präsentiert sich als konzentrierte Einheit
Wie vor anderen Partien auch hatten sich Spieler, Trainer und Funktionäre per Kniefall dem Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt angeschlossen. Für Andrich eine Selbstverständlichkeit: „Wir als Fußballer müssen vorangehen. Die Leute gucken auf uns.“
Die Frage, die Union im Duell zweier Mannschaften – und damit auch zweier Trainer – unter Zugzwang für sich beantworten musste: Wie viel Offensive kann man sich erlauben, nachdem es in den ersten vier Spielen seit dem Re-Start elf Gegentore gesetzt hatte?
Unions Trainer Urs Fischer hatte seiner Mannschaft folgende Marschroute mit auf dem Weg gegeben: „Nur zu verteidigen, wird nicht aufgehen. Nur nach vorne zu rennen und hinten alles aufzumachen, wird auch nicht funktionieren. Von daher gilt es, eine gute Mischung hinzubekommen.“
Zugleich nahm der Schweizer alle in die Pflicht: „Wenn du nach hinten arbeitest, braucht es alle zehn Feldspieler mit Torwart. Das Gleiche gilt, wenn es um unsere Vorwärtsbewegung geht, auch da beginnt es beim Torwart und endet bei den Stürmern.“ Schnell wurde am Sonntagnachmittag klar: Die Profis hatten ihrem Trainer zugehört. Union präsentierte sich als jene konzentrierte Einheit, die sich nach einem schwierigen Saisonstart im vergangenen Herbst auf dem Weg zum Klassenerhalt gemacht hatte.
Andrich ist gegen Schalke der Antreiber
Als Paradebeispiel diente die Führung durch Andrich, bei der Union seine Qualitäten, sein Gesicht zeigte. Nach einem Freistoß der Gäste ließ Anthony Ujah dem Schalker Juan Miranda keine Zeit, den Abpraller zu kontrollieren. Das eroberte Spielgerät legte der Union-Stürmer sofort dem loseilenden Andrich in den Lauf. Schließlich ließ der Mittelfeldspieler Schalke-Schlussmann Alexander Nübel mit einem Schuss ins lange Eck keine Chance (11.).
Ujah war neu in die Anfangsformation gerückt und bildete zusammen mit Sebastian Andersson die Doppelspitze. Dahinter agierte Yunus Malli im Zentrum. Ein Schachzug, der seine Wirkung nicht verfehlte: Union war tonangebend, hätte durch Ujah (24.) sogar höher führen können.
Vor allem Andrich präsentierte sich nach seiner abgesessenen Gelb-Rot-Sperre gegen Mönchengladbach (1:4) als Antreiber. Fischer war sich sicher, „dass er ungehemmt auftreten wird. Das hat er in allen anderen Spielen auch gezeigt. Wir leben ja auch gerade von seiner Aggressivität, von seiner Präsenz.“
Aber, so der Union-Trainer, „auch Robert muss versuchen, dazuzulernen und sich in bestimmten Situationen cleverer zu verhalten“. In der 37. Minute tat er dies nicht ausreichend genug. Seinem Foul gegen Rabbi Matondo im Mittelfeld (37.) folgte die zehnte Gelbe Karte und die nächste Pause im Auswärtsspiel am Sonnabend in Köln.
Ein paar Fans vor dem Stadion machen Stimmung
Zu diesem Zeitpunkt stand es gegen Schalke bereits 1:1. Weil die bislang so aufmerksamen Köpenicker dann doch für einen Moment nachlässig wurden und Jonjoe Kenny aus gut 20 Metern einfach gewähren ließen. Sein Schuss ins Tor von Rafal Gikiewicz war der einzige Schalker Torabschluss in Halbzeit eins.
Nach dem Seitenwechsel entwickelte sich mit zunehmender Spieldauer ein offener Schlagabtausch. Beide Mannschaften wussten um die Wichtigkeit eines Sieges nach Wochen des freien Falls in der Tabelle. Viel lief bei Union nun über die linke Seite, auf der Marius Bülter auch den defensiven Part von Christopher Lenz (fehlte angeschlagen) übernehmen musste.
Fischer brachte mit Grischa Prömel für Malli frisches Personal (69.), Christian Gentner rückte nun in die offensive Mittelfeldposition vor. Für die Schlussviertelstunde kamen noch Marcus Ingvartsen (für Ujah) und Joshua Mees (für Gentner). Nein, Union wollte sich mit dem einen Punkt nicht zufriedengeben. In der Schlussphase vergaben die Verteidiger Marvin Friedrich (86.) und Keven Schlotterbeck (87.) aus aussichtsreichen Positionen.
Was blieb, war der Vier-Punkte-Vorsprung auf Relegationsplatz 16. Und von draußen schallte es „Wir woll’n die Mannschaft seh‘n.“ Eine Aufforderung, der ein Teil der Spieler dann auch nachkam. Andrich: „Das ist natürlich überragend und in der Zeit richtig schön.“