Berlin. Urs Fischer gehört zu jener Kategorie von Trainern, die sich so gut wie nie über die Leistung des Schiedsrichters einer Partie äußern. Dass sich der Schweizer am Sonnabend dennoch dazu aufgefordert sah, ein paar Worte über den Unparteiischen zu verlieren, zeigt, dass es nach dem 1:2 (1:1) des 1. FC Union gegen Werder Bremen offenbar Redebedarf gab.
„Beim ersten Strafstoß gab es keinen Kontakt, das war nie und nimmer ein Elfmeter“, sagte Union-Trainer Fischer: „Wenn du den Videoassistenten zur Verfügung hast, dann frage ich mich wirklich, warum er sich die Bilder noch einmal anschaut.“ Eigentlich ist Fischer ein Befürworter des Videobeweises, „er macht den Fußball fairer“, sagte er auch am Sonnabend wieder.
Lesen Sie auch: Die Niederlage gegen Bremen? Eine Lehrstunde für Union
Doch gegen Bremen, in jener ersten Minute, hätte Videoassistent Bastian Dankert in Köln Schiedsrichter Tobias Welz davon überzeugen sollen, dass er falsch gelegen hat.
Elfmeter für Werder schon in der ersten Minute
So war es der Beginn einer Bundesliga-Partie, die eher der Kategorie Videospiel zuzuordnen ist. Gut eine Minute war vor 22.012 Zuschauern in der ausverkauften Alten Försterei gespielt, als die Emotionen das erste Mal richtig hochkochten.
Werders Leonardo Bittencourt hatte bei einem Konter Union-Kapitän Christopher Trimmel ins Leere grätschen lassen und sich auf und davon gemacht. Seine Flanke in den Strafraum erreichte Unions Verteidiger Christopher Lenz, der den Ball mit der Brust an Torwart Rafal Gikiewicz weiterleiten wollte.
Der Bremer Davy Klaassen roch den Braten, sprang ob der zu kurzen Lenzschen Ablage dazwischen und wurde von Lenz und Gikiewicz in die Zange genommen. Klar dass Werders Offensivmann ob der minimalen Berührung fiel, Welz entschied sofort auf Foulelfmeter.
Gikiewicz ist bei Klaassens Elfmeter noch dran
Dann begann das Warten. Längst hatte sich Klaassen den Ball für den Elfmeter zurechtgelegt, als der Schiedsrichter sich doch entschied, die Situation noch einmal am Monitor am Spielfeldrand zu überprüfen.
Er blieb bei seiner Entscheidung, unter wütenden Protesten der Berliner. Was Klaassen nicht störte, er drosch den Ball vom Punkt einfach in die Mitte und hatte Glück, dass Torwart Gikiewicz das Spielgerät mit seinem Fuß nur ablenken, aber nicht abwehren konnte, 0:1 (5.).
„Ich lege den Ball zu kurz ab, und Klaassen läuft Rafa gegen die Hand. Er kann sich aber nicht in Luft auflösen“, war es auch für Lenz kein Elfmeter.
Unions Andersson gleicht per Elfmeter aus
Sieben Minuten später – eine Union-Flanke war gerade durch den Bremer Strafraum gesegelt – unterbrach Welz die Partie erneut, um den Videoassistenten zu konsultieren. Ein Handspiel von Christian Groß war der Anlass.
Der Bremer hatte den Ball nach einer Ecke unter Bedrängnis von Union-Angreifer Anthony Ujah an den Arm bekommen. Da sich dieser in Kopfhöhe befand, gab es den zweiten Strafstoß der Partie. Sebastian Andersson ließ sich die Chance nicht entgehen und schoss zum 1:1 ein (14.).
„Wenn du früh 0:1 in Rückstand liegst, brauchst du eine Mentalität. Die habe ich bei meinen Jungs gesehen“, lobte Fischer.
Gikiewicz wird zum tragischen Helden
Spätestens nach Wiederanpfiff stand fest: Es war der Nachmittag des Videoassistenten in der Alten Försterei. Nach einem Eckball, den Torwart Gikiewicz durch eine Unaufmerksamkeit verursacht hatte, bot sich Theodor Gebre Selassie die Chance, aus Nahdistanz einzuschieben.
Doch Werders Verteidiger fiel und zeigte sofort an, dass er von Trimmel am Trikot gezogen worden sein soll. Wieder entschied Schiedsrichter Welz auf Elfmeter – nachdem Dankert in Köln Welz das Signal gegeben hatte, auf Strafstoß zu entscheiden (54.).
Erneut trat Klaassen an, fand jedoch diesmal seinen Meister in Gikiewicz, der den Ball aus dem oberen Eck zur Ecke lenkte (56.). Riesenjubel in der Alten Försterei, der sofort wieder verklang. Denn beim Eckball ließ Unions Defensive Niclas Füllkrug ungehindert zum 1:2 einköpfen (56.). „Zu 60 Prozent geht das Tor auf mich“, sagte Gikiewicz.
Bülter und Polter vergeben beste Chancen
Anders als die Dortmunder vor zwei Wochen, denen offensiv nichts einfiel und die Union zu Kontern praktisch einluden, hatten sich die Bremer besser auf die Berliner eingestellt. Marius Bülter (80.) und der eingewechselte Sebastian Polter (87.) vergaben beste Chancen zum Ausgleich.
Zu allem Überfluss sahen Unions Neven Subotic (89.) nach wiederholtem Foulspiel Gelb-Rot. Auch Nuri Sahin (90.) musste mit Gelb-Rot vom Platz, weil er beim Freistoß den Pfiff des Schiedsrichters nicht abwarten konnte.
„Heute fehlt uns ein Punkt, das nervt“, sagte Fischer, der ein ausgeglichenes Spiel bilanzierte. Und um seiner Enttäuschung doppelt Ausdruck zu verleihen, schob er nach: „Das heute tut schon weh.“
Union besteht Alltagstest nicht wirklich
Insgesamt boten die stark ersatzgeschwächten Bremer als auch Union nur selten Zusammenhängendes. Viele Aktionen, darunter auch einige Nickeligkeiten, spielten sich im Mittelfeld ab – und blieb dort auch hängen.
Nach den ersten drei emotionalen Partien gegen RB Leipzig, beim FC Augsburg und gegen Dortmund sollte das Duell gegen Werder der Alltagstest für den Aufsteiger werden. Bestehen konnte Union ihn nicht wirklich.
Mehr über Union lesen Sie hier.