Bundesliga

Union-Trainer Fischer bringt Berlin das Derby zurück

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Michael Färber
Party in Köpenick: Trainer Urs Fischer (r.) feiert mit der Mannschaft und den Fans in der Alten Försterei den Aufstieg.

Party in Köpenick: Trainer Urs Fischer (r.) feiert mit der Mannschaft und den Fans in der Alten Försterei den Aufstieg.

Foto: Andreas Gora / dpa

Trainer Urs Fischer steigt mit Union in die Bundesliga auf. Porträt über den Mann, der Berlin das Derby zurückbrachte.

Berlin. In diesem Moment war es um ihn geschehen. Und er genoss diesen Moment, weil er gar nicht anders konnte. Weil seine Spieler ihn vor Tausenden Fans am Mittwochabend feiern wollten. Ihn hochleben lassen in der Alten Försterei, am Ende eines denkwürdigen Partymarathons, der am Nachmittag mit dem Empfang beim Regierenden Bürgermeister Michael Müller und dem Eintrag ins Gästebuch der Stadt Berlin begonnen hatte.

Nein, Urs Fischer ist keiner, der sich in den Vordergrund drängt. Das hat der Trainer des 1. FC Union während der gesamten Saison 2018/19 nicht getan. Nicht nach großen Siegen, erst recht nicht am Abend des erstmaligen Aufstiegs des Klubs in die Bundesliga.

Am Montag, zwei Tage bevor die Profis des Aufsteigers ihren Trainer hochwarfen, in jenen Momenten nach dem 0:0 gegen den VfB Stuttgart, als der Jubel zu einem Orkan anwuchs – da fand der Schweizer einen Durchschlupf aus der rot-weißen Glückseligkeit, um zu seiner Familie auf die Tribüne zu eilen. Das Aufstiegsglück als Familienglück.

Fischer schafft Aufstieg im ersten Union-Jahr

Bodenständigkeit ist die Eigenschaft, die immer wieder mit Fischer in Verbindung gebracht wird. Ausgeglichenheit trifft es vielleicht noch eher. „Du musst eine gute Mischung finden.“ Sätze wie diesen kennzeichneten Fischers Auftritte in der Öffentlichkeit. Für seine tägliche Arbeit waren sie Gebot.

So gelang es ihm, Härtefälle zu moderieren, wenn es um den Kader für den Spieltag oder die Startelf ging. „Er hat alle gleich behandelt, ob Stammspieler oder Ersatzmann“, erklärte Christopher Trimmel, Unions Kapitän: „Seine ruhige Art, auch in Stresssituationen, das geht auf die Mannschaft über.“ Und die Mannschaft ist ihm gefolgt, vom ersten Tag an.

Es ist ohne Zweifel etwas besonders, als Trainer gleich im ersten Jahr bei einem neuen Klub den Aufstieg in die Bundesliga zu schaffen. Auch wenn es vielleicht größere Erfolge für den 53 Jahre alten Hobbyangler gegeben hat. Meister und Pokalsieger, selbst Champions-League-Spiele mit dem FC Basel, der ihn vor zwei Jahren entließ. Es passt ins Bild, dass Fischer nun, da er Union den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte beschert hat, keine Genugtuung in Richtung Basel verspürt. „Nein, das würde für mich zu sehr in Richtung Schadenfreude gehen“, erklärte Fischer.

Union-Boss Zingler: Er passt zu uns

Mit diesen Tugenden – Ausgeglichenheit, Teamgeist, Ruhe – hat er etwas geschafft, was seinen Vorgängern auf der Trainerbank des Köpenicker Klubs nicht gelang. Er hat nicht nur der Mannschaft, sondern auch den Fans, ja dem gesamten Umfeld den Glauben vermitteln können, dass es zehn Jahre nach der Rückkehr in die Zweite Liga endlich eine Etage höher gehen könnte, ins Oberhaus des deutschen Fußballs. Und dass dieser Aufstieg kein Zufall, kein Versehen ist, sondern auf einem soliden Fundament fußt.

„Die Mentalität“, so Unions Präsident Dirk Zingler nach dem Aufstieg, „ist nicht so unterschiedlich“ zwischen Schweizern und Köpenickern: „Bodenständig, aber ambitioniert, das passt perfekt zu uns.“ Selbstbewusst, aber nie selbstdarstellerisch. „Urs Fischer passt sich hier ein, nimmt Kontakt auf zu allen Gruppen“, erklärte Zingler.

Urs Fischer, der Teamplayer. Als solchen habe er sich selbst schon immer gesehen. Ein Trainer, so wird der Schweizer nicht müde zu erklären, sei Teil des Ganzen, den es braucht, um erfolgreich zu sein. Wie groß sein Anteil am Erfolg in der Aufstiegssaison ist? Fischer spricht immer vom Trainerteam. Wie wichtig der eine oder andere Spieler ist für einen Sieg? Fischer nennt immer die Mannschaft, die es braucht, um einen einzelnen Spieler glänzen zu lassen.

Union-Kapitän Trimmel lobt Fischer

„Man hat immer gespürt, dass er jeden einzelnen Spieler besser machen möchte“, umschreibt Kapitän Trimmel, was den Trainer auszeichne. Das spornt jüngere Spieler an, die älteren herauszufordern, und fordert die erfahrenen auf, ihren Platz zu verteidigen. Gewinner ist die Mannschaft.

Keine Frage, durch den Aufstieg in die Bundesliga hat sich Fischer einen Platz in den Geschichtsbüchern Unions gesichert. Und auch einen Platz in der Berliner Fußball-Historie. Nach 42 Jahren gibt es wieder Erstliga-Duelle, es werden die ersten sein zwischen Union und Hertha BSC in der höchsten deutschen Spielklasse. Für viele ist Urs Fischer der Trainer, der Berlin das Derby zurückbrachte.

„Vielleicht bin ich auch nur zur richtigen Zeit gekommen“, sagt Fischer. Wer die Begeisterung der Zuschauer im Stadion am Montag erlebt hat, kommt zu dem Schluss, dass es für Union tatsächlich der richtige Zeitpunkt war aufzusteigen.

Union-Trainer lässt sich mitreißen

„Wahnsinn“ und „unglaublich“ sind die Worte, mit denen Fischer die Unterstützung nicht nur im letzten Saisonspiel umschreibt. Oder die Stimmung beim Feier-Marathon am Mittwoch, während der zweistündigen Bootstour die Spree hinunter von der East Side Gallery bis nach Köpenick, während der Fahrt im offenen Bus vom Rathaus Köpenick zum Stadion, beim Empfang durch die 20.000 Fans in der Alten Försterei.

„Da bekommst du Gänsehaut. Wenn dich das nicht mehr berührt, wenn du da keine Emotionen mehr verspürst, ist es Zeit, die Schuhe an den Nagel zu hängen“, so der Schweizer. Während der Saison gestattete er sich selbst und auch seiner Mannschaft zwar Freude, aber auch nur in kontrollierter Form. Damit war es am Mittwoch vorbei. Selbst Fischer ließ sich mitreißen und stimmte mit ein, als einige Anhänger „Es gibt nur ein Urs Fischer“ sangen.

Wie er sich nun fühle, als Aufstiegstrainer des 1. FC Union? Fischer zögerte einen Moment ehe er antwortete. „Ich habe nicht im Kopf, ich bin der Aufstiegstrainer“, sagte Fischer dann, „wir haben etwas gemeinsam geschafft, wir haben Teamgeist gelebt, keiner hat sich zu wichtig genommen. Darüber bin ich froh und glücklich, auch stolz.“

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