Berlin. Ein Bus wird kommen. Aus Polen. Und obwohl die Parkfläche vor dem Stadion an der Alten Försterei ausreichend groß ist, wurde eigens für den Bus ein Platz reserviert. Rafal Gikiewicz überlässt eben ungern etwas dem Zufall. Er denkt auch nicht in kleinen Dimensionen. „Für Sonntag habe ich mehr als 40 Karten bestellt“, sagt der Torhüter des 1. FC Union. Die ganze Familie kommt, Freunde, halb Polen, wie er sagt.
Ist ja auch ein großes Spiel, das vor den Berliner Fußballprofis liegt (13.30 Uhr, Sky). „Sonntag ist ein Finale für uns gegen Hamburg“, erzählt Gikiewicz. Der Zweite der Zweiten Liga gastiert beim Vierten, Union kann sich mit einem Sieg am viertletzten Spieltag am HSV vorbei auf Platz drei schieben und sich mit Blick auf den Aufstiegskampf in eine gute Position bringen. Das klingt verlockend, nach einem großen Fußball-Nachmittag.
Kopfschmerzen nach dem Spiel in Fürth
Aber Gikiewicz brummt immer noch der Schädel, wenn er an die jüngsten Spiele zurückdenkt. Nicht nur, weil er beim 1:1 in Fürth zuletzt einen Ball direkt ins Gesicht bekommen hat. Wegen starker Kopfschmerzen ließ er sich sicherheitshalber untersuchen, ist aber zuversichtlich: „Mein Kopf tut weh, ist aber frei.“ Bei den Kollegen scheint er sich da nicht so sicher. Seit Wochen befanden sich die Köpenicker schließlich in einer besseren Position als jetzt, waren Dritter, aber verspielten mit fünf Partien ohne Sieg den Vorsprung und fielen gar zurück.
Nach dem enttäuschenden Auftritt in Fürth dauerte die interne Aufarbeitung länger als gewohnt. Trainer Urs Fischer machte seine Unzufriedenheit mit der Spielweise der Mannschaft deutlicher. Union führte, spielte lange mit einem Mann mehr, aber Fürth war trotzdem besser, und Gikiewicz am Ende rettete den Punkt. „Das ist wie ein kleiner Skandal. Wir reden zu viel darüber, dass andere auch Punkte verlieren. Ich glaube, dass wir dadurch den Fokus für unsere Leistung verlieren“, so der Pole, der sogar findet, dass sein Team spiele, als habe es Angst: „Aber warum?“
Viele Defizite, die bei Union gerade auffallen
Die Antwort darauf ist nicht so leicht zu finden, aber Indizien dafür, dass es tatsächlich so ist, gibt es genug. In der Hinrunde habe es etwa alle fünf bis sechs Spiele einen Alleingang gegeben, dem Gikiewicz gegenüberstand. „Jetzt sind es zwei bis drei in jedem Spiel“, so der 31-Jährige. In der Hinrunde lief die komplette Mannschaft pro Spiel auch meist um die 115 Kilometer. „Jetzt nur noch 104 oder 105.“ Das fühle sich an, als habe man einen Spieler weniger auf dem Platz, immer sei man im Zweikampf zu spät dran. „Das geht nicht, das ist zu wenig.“
Gikiewicz kennt das, er hat es schon mal erlebt. In Braunschweig spielte er mit der Eintracht 2014/15 ebenfalls eine tolle Hinrunde, alle sahen das Team schon als Aufsteiger. Aber in der Rückrunde brach die Mannschaft ein. „Ich habe keine Zeit, immer wieder diese Fehler zu machen. Ich habe keinen Bock auf den vierten oder fünften Platz. “, erzählt der Torhüter. Er will nur eines: „Mein Traum ist die Bundesliga. Alle wissen das.“
Voller Leidenschaft für das große Ziel
Kaum einer steht bei Union, das die Lizenz für die erste und zweite Liga ohne vereinsspezifische Auflagen oder Bedingungen erhalten hat, so leidenschaftlich zu diesem Ziel wie der Pole. „Es wäre Wahnsinn, zum ersten Mal in der Klubgeschichte den Aufstieg zu schaffen. Das muss jeder wissen“, sagt Gikiewicz und appelliert an seine Kollegen: „Wir müssen jetzt zeigen, dass wir alle zusammenstehen.“ Dann könnte der Sonntagnachmittag trotz allem, was zuletzt war, ein großes Fußballfest werden. Gikiewicz steht da gewissermaßen in der Verantwortung, die Busladung aus Polen will er schließlich nicht enttäuscht nach Hause schicken.