Berlin. Das große Zittern an der Alten Försterei, dass der 1. FC Union eine völlig verkorkste Saison doch mit dem Abstieg in die Dritte Liga beenden muss, ist zurück. Das 1:3 in Darmstadt, immer noch Vorletzter der Zweiten Liga, offenbarte, wie schlimm es um die Köpenicker Kicker bestellt ist.
Es war Toni Leistner, Unions Abwehrchef, der am Tag nach der Blamage am Böllenfalltor kein Blatt vor den Mund nahm. „Die Mentalität, die in so einem Spiel wichtig ist, haben wir in den ersten 30 Minuten vermissen lassen“, sagte Leistner: „Das war schon nicht zweitligatauglich.“
Für eine Mannschaft, die angetreten war, um den Bundesliga-Aufstieg mitzuspielen, kommt dies einer Bankrotterklärung gleich. Die Vorgabe des Klubs, besser sein zu wollen als Platz vier in der Vorsaison (eine absolut richtige Zielsetzung), gepaart mit der sportlichen Entwicklung vor allem in der Rückrunde und dem nie dagewesenen Irrsinn der Liga selbst (zwischen Rang acht und 16 sind es immer noch nur vier Punkte), entpuppte sich offenbar als Gedankengift für die Berliner.
Jeder verlässt sich auf den anderen
„Vielleicht haben wir zu lange den Traum geträumt, doch noch oben reinzurutschen und haben einfach vergessen, nach hinten zu schauen und den Abstiegskampf zu spät angenommen. Vielleicht hätten wir uns erst einmal darauf fokussieren sollen“, erklärte Leistner. Dass Union tatsächlich derart tief in den Abstiegskampf rutschen könnte, damit hätten einige Spieler nicht gerechnet.
Die Hinrunde sei ja „noch in Ordnung gewesen“, so Unions Abwehrchef, was bei nur drei Punkten Rückstand auf Platz drei nach 16 Spielen ohne Zweifel richtig ist. Leistner: „Was danach passierte, ist für jeden nicht zu begreifen, deshalb war es vielleicht auch nicht so leicht, den Hebel umzulegen.“
Die Hoffnung, Union würde sich nach dem Sieg in Unterzahl vor zwei Wochen beim FC St. Pauli, bei dem jeder den berühmten Schritt mehr tat, endlich befreien können, erfüllte sich nicht. Die 90 Minuten in Darmstadt offenbarten über weite Strecken, dass jeder sich eher auf den anderen verlässt.
Zu lange hinter Polter versteckt
Sinnbildlich dafür steht die Szene vor dem 0:2, bei der Marc Torrejon und Kristian Pedersen interessiert zuschauen, wie Leistner das Kopfballduell gegen Darmstadts Dong-Won Ji verliert und den völlig freistehenden Torschützen Felix Platte völlig außer Acht lassen.
„Vielleicht war ich auch nicht der richtige Mann, um in das Kopfballduell zu gehen“, gibt Leistner selbstkritisch zu. Platte war sein Gegenspieler. Aber, so der 27-Jährige: „Irgendjemand muss absichern, man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass der Nebenmann das Kopfballduell gewinnt.“
Spiele wie die in Darmstadt belegen auch, welchen Einfluss Spieler wie Sebastian Polter auf die Mannschaft haben. Der Stürmer fehlt seit Anfang März wegen eines Achillessehnenrisses. Leistner: „Vielleicht haben sich zu viele auf den Schultern von Sebastian ausgeruht, gerade wenn es um Führungsqualitäten geht.“
Kroos fehlt an allen Ecken und Enden
Ähnliches gilt für Felix Kroos (Fußverletzung). Der Kapitän war nur als Motivator auf der Bank mit in Darmstadt. Auf dem Feld wurde er als tragende Säule des Spiels – vor allem aber für seine Mitspieler – schmerzlich vermisst. Dabei hatte Union nach der Ära von Klubikone Torsten Mattuschka (2014) solche Abhängigkeiten auf und neben dem Platz unbedingt verhindern wollen. Noch ein Vorhaben, das misslang.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass am Sonntag im letzten Heimspiel gegen Bochum (15.30 Uhr, Alte Försterei) ein Sieg reicht, um den Klassenerhalt endlich perfekt zu machen. Allein der Auftritt in Darmstadt lässt einen Glauben daran nur bedingt zu.