Zweite Liga

Unions letzte Ausfahrt heißt Bielefeld

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Michael Färber
Union braucht in Bielefeld den Kampfgeist von Stürmer Sebastian Polter (r.)

Union braucht in Bielefeld den Kampfgeist von Stürmer Sebastian Polter (r.)

Foto: Sport Moments/Gora / picture alliance / Sport Moments

Gewinnt Union auch am Montag in Bielefeld nicht, wird es eng für den Aufstiegskandidaten außer Dienst – und für Trainer Hofschneider.

Berlin.  Im Fußball werden gern mal einfachste Wahrheiten zu den Urknall erklärenden Naturgesetzen erhoben. „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten“ von Weltmeistertrainer Sepp Herberger ist wohl das bekannteste der diesen Sport definierenden Grundsätze. Eine anderer ist die Antwort auf die Frage, was eine Mannschaft denn tun müsse, um endlich wieder ein Spiel zu gewinnen. Also sprach André Hofschneider, der Trainer des 1. FC Union, vor dem Zweitligaspiel am Montag bei Arminia Bielefeld (20.30 Uhr, Sky): „Ganz banal gesagt: Wir müssen ein Tor mehr schießen als der Gegner.“ Und schon fangen die Probleme an.

Nur vier Tore gelangen den Köpenickern in den vergangenen fünf Spielen, darunter zwei Elfmeter. „Wir müssen unsere Chancen besser nutzen, auch mal in Führung gehen, das würde dem einen oder anderen Spieler ganz gut tun“, so Hofschneider weiter. Auch der Mannschaft, dem gesamten Verein und dessen Umfeld. Sieben Spiele wartet Union inzwischen auf einen Sieg. Lutz Munack, Unions Geschäftsführer Sport, spricht von einer „Sackgasse, aus der wir nicht so leicht wieder herauskommen“.

Keine Frage, es braucht auf der Alm einen Sieg. Irgendwie. Ohne Wenn und Aber. Für Union ist Bielefeld die letzte Ausfahrt, will der Aufstiegskandidat außer Dienst auf der Schnellstraße in den Ligakeller nicht im Abstiegskampf ankommen. Dass der Abstand auf Relegationsplatz 16 immer noch fünf Punkte beträgt, ist ausschließlich dem Darmstädter Taumeln zuzuschreiben: Der Bundesliga-Absteiger verlor sein Heimspiel gegen den MSV Duisburg mit 1:2. Auch Braunschweigs Heimpleite gegen Schlusslicht Kaiserslautern (1:2) half Union, um wenigstens als Tabellenzehnter ins Duell mit der Arminia gehen zu können.

Geschäftsführer Munack fordert einen Sieg

Der Druck auf die Profis ist groß. Auch auf Coach Hofschneider, der die Berliner bislang nicht auf den Erfolgsweg hat zurückführen können. „Dass die Liga eine schwierige ist und es dementsprechend auch eng werden kann zu bestimmten Saisonphasen, war uns auch klar“, erklärte Munack: „Dementsprechend haben wir auch Maßnahmen ergriffen, die müssen aber auch wirken. Jede Maßnahme bedarf auch eines fairen Zeitraums, um zu wirken.“

Doch genau das hat Union kaum noch: Zeit. Die beiden Niederlagen nach dem Trainerwechsel von Jens Keller zu Hofschneider Anfang Dezember gegen Dresden (0:1) und Ingolstadt (1:2) nahm Munack als treibende Kraft für die Keller-Beurlaubung auf seine Kappe („Die können sie bei mir aufschreiben“). Zugleich ließ er aber auch durchblicken: „Der Trainer hat grundsätzlich seine Spiele zu verantworten. Ich erwarte in den nächsten beiden Spielen, dass wir den Weg, den wir eingeschlagen haben, fortsetzen, aber dass wir dabei Tore schießen und erfolgreich sind.“ Sollte dies nicht der Fall sein, wird es für Union eng werden, ebenso wie für seinen Trainer.

Die Ruhe, die Union in der verfahrenen Situation auszustrahlen versucht, ist nachvollziehbar, aber auch brandgefährlich. Schon viele auf dem Papier ausreichend gut besetzte Mannschaften haben sich hinter einer Mauer aus „Wir müssen eine Siegesserie starten“ und „Der Glaube an die eigene Stärke ist vorhanden“ versteckt – um dann mitanzusehen, wie der Zweitliga-Zirkus ohne sie in die nächste Saison zog. Unions Jahrgang 2003/04 wird sich ungern daran erinnern.

„Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen“

Torjäger Sebastian Polter sieht angesichts der Tatsache, dass das große Ziel Bundesliga in weite Ferne gerückt ist, „Etappenziele“, die es zu erreichen gilt: „Das nächste ist, ein Spiel zu gewinnen.“ Kapitän Felix Kroos forderte: „Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen.“ Es sei auch eine Stärke, in einer solchen Situation selbstbewusst zu sein. Doch mit jedem nicht gewonnenen Spiel, jeder vergebenen Torchance, jedem noch so kleinen Fehlpass schwindet dieses Selbstbewusstsein.

So tut Hofschneider das, was wohl jeder Trainer in einer vergleichbaren Lage tun würde: Er redet den Gegner stark. Arminia Bielefeld habe sich „stabilisiert“, seit Trainer Jeff Saibene im März des Vorjahres die Mannschaft übernommen habe, Stürmer Fabian Klos ist für ihn „ein Erstligaspieler. Und wenn jemand wie Sören Brandy schon seit einem Jahr kein Spiel mehr von Anfang an bestritten hat, dann spricht das auch für eine gewisse Qualität, die Bielefeld hat.“ Dass Brandy, im Januar 2017 von Union zur Arminia gewechselt, sich mit seinen 32 Jahren bereits im Spätherbst seiner Karriere befindet, soll nicht verschwiegen werden.

„Der Glaube an diesen Kader ist vorhanden, unabhängig davon sind wir in der Position, ein Spiel gewinnen zu müssen. Das schließt sich gegenseitig nicht aus“, so Geschäftsführer Munack. Schließlich sei Union „nicht der erste Verein, der seinen vor der Saison formulierten Ansprüchen hinterherhinkt.“ Was bleibt, ist eine jener Fußballweisheiten, die längst den Status des ungeschriebenen Gesetzes erreicht haben. „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“, sagte dereinst Otto Rehhagel. Sie im entscheidenden Moment auch richtig zu erkennen, ist wiederum oft nicht ganz so einfach, wie manche zu glauben scheinen.