1. FC Union Berlin

Marc Torrejon – der Katalane von Köpenick

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Inga Böddeling
Marc Torrejon stammt aus Barcelona und steht seit Sommer bei Union unter Vertrag

Marc Torrejon stammt aus Barcelona und steht seit Sommer bei Union unter Vertrag

Foto: Matthias Koch

Marc Torrejon macht sich über Geschehnisse in der Heimat mehr Sorgen als über seine Lage bei Union. Seine Verletzung hat er auskuriert.

Das kleine Waldstück neben dem Trainingsplatz kennt Unions Innenverteidiger Marc Torrejon mittlerweile in jedem Detail. Wegen einer Wadenverletzung musste der 31-Jährige seit Anfang September aussetzen. Statt Training am Ball absolvierte der Spanier nur leichte Waldläufe, vorbei am Trainingsplatz, auf dem seine Teamkollegen am Aufbau der Berliner Siegesserie feilten. Fünf Wochen sind mittlerweile vergangen – jetzt ist Torrejon wieder fit.

Sicher ist dem Katalanen nicht entgangen, dass sich in der Zwischenzeit Fabian Schönheim auf seiner Position ins Rampenlicht gespielt hat. Und das hat auch seinen Grund, findet der Spanier: „Jeder hat seine Arbeit gemacht und zwar gut. Wenn ich zurückkomme und nicht direkt auf dem Platz stehe, ist das okay, weil die Mannschaft drei Siege in Folge geholt hat.“

Der Aufwärtstrend und Schönheims Leistungen werden Trainer Jens Keller dazu veranlassen, auch gegen Greuther Fürth am Sonnabend (13 Uhr/Alte Försterei) beim Bewährten zu bleiben. Zumal Torrejon auch konditionell ja sicher noch etwas hinterherhinkt. Der Zugang aus Freiburg sieht das Kollektiv: „Wir haben einen großen Kader, der richtig gut ist und auf jeder Position Qualität hat. Es ist egal, wer spielt, wir sind eine Mannschaft.“ Ab nächster Woche ist der Wahl-Berliner wieder „eine Option“, sagte Keller.

Seine Familie bekam von den Ausschreitungen nichts mit

Torrejon weiß, was Union an seinem beschworenen Kollektiv hat. Erst recht, wenn er in diesen Wochen in sein Heimatland blickt. Die Zerrissenheit der spanischen Bevölkerung rund um das Unabhängigkeits-Referendum Kataloniens lässt ihn nicht teilnahmslos zurück. Zumal er direkt aus Barcelona, Kataloniens Hauptstadt, stammt.

Natürlich hat er sich Gedanken über die Situation in seiner Heimat gemacht: „Die Präsidenten Puigdemont von Katalonien und Rajoy von Spanien sollten sich einfach hinsetzen, reden und eine Lösung finden.“ Die scheint in weiter Ferne, nachdem Puigdemont das Ultimatum der spanischen Regierung hat verstreichen lassen, sich klar zu äußern, ob er die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt oder nicht. Spaniens Regierungschef Rajoy will nun per erstmaliger Anwendung des Verfassungsartikels 155 Katalonien verpflichten, die Verfassung und das allgemeine Interesse Spaniens zu achten. Ansonsten ist die Zentralregierung zu „erforderlichen Maßnahmen“ berechtigt (siehe auch Seite 5).

Szenen wie jene vor wenigen Wochen, als in Katalonien Wahllokale gestürmt, Menschenketten durchbrochen und Wahlurnen beschlagnahmt wurden, könnten sich wiederholen. Natürlich verfolgte auch Torrejon das Geschehen. Wenigstens brauchte er sich um seine Liebsten keine Sorgen zu machen. Seine Familie lebt zwar in Mataro – einer Stadt in der Provinz Barcelona, 30 Kilometer nordöstlich der Metropole –, war von den Ausschreitungen aber nicht direkt betroffen. Auch seine Schwester Marta nicht. Die 27-Jährige ist ebenfalls Fußballerin, lebt in der Nähe und spielt für Barcelona. „Sie hat von den Ausschreitungen und der Polizei nichts mitbekommen“, sagt der große Bruder.

Pfiffe gegen Pique stoßen bei Torrejon auf Unverständnis

Seine Meinung zur Unabhängigkeitsfrage macht deutlich, warum die Situation in Spanien derart zerfahren ist: „Ich weiß nicht, ob es gut für Spanien ist, wenn sich Katalonien abspaltet – ich glaube nicht. Aber ich glaube, dass es für Katalonien gut wäre, wenn sie sich von Spanien abspalten. Katalonien ist eine starke Region, sie können eigenständig bestehen!“ Im hinterher geschobenen Halbsatz sagt er: „Wenn sie das nicht tun, bleibt alles wie es ist.“ Ob er das gut fände, lässt Torrerjon aber offen.

Einer, der die Auseinandersetzungen direkt zu spüren bekam, ist Gerard Piqué. Der Abwehrstar vom FC Barcelona hatte von Politikern mehr Dialogbereitschaft über das Thema gefordert. Beim Training der Nationalelf wurde der 30-Jährige daraufhin ausgepfiffen. In Barcelona selbst wirft man Barca-Spielern inzwischen vor, sich nicht klar genug zu Katalonien zu bekennen.

Eine Reaktion, die beim Katalanen Torrejon Unverständnis auslöst: „Er sagt nur seine Meinung und jeder muss diese Meinung respektieren. Ich verstehe nicht, warum man da pfeift.“ Torrejons Einschätzung dazu ist aber auch ein kritischer Unterton zu entnehmen. „Er redet manchmal viel über Politik“, sagt er über seinen Landsmann. Etwas, was es als Sportler offenbar zu vermeiden gilt: „Politik hat nicht so viel zu tun mit Fußball.“